Ein Beitrag von Professor Mordehai Moti Mironi von der Universität Haifa in der aktuellen Harvard Negotiation Law Review beschäftigt sich mit Unterschieden zwischen einer Mediation und einer Vergleichsverhandlung. Vor dem Hintergrund der Entwicklung der Mediation in Israel in den vergangenen Jahrzehnten warnt Mironi vor einer Vermischung beider Methoden, um eine erfolgreiche Anwendung des Mediationsverfahrens nicht zu gefährden.
Grundlegende Unterschiede zwischen Mediation und Vergleichsverhandlung
In seinem Beitrag stellt Mironi eine Reihe fundamentaler Unterschiede zwischen Mediation und Vergleichsverhandlungen heraus: Vergleichsverhandlungen seien im Wesentlichen Sache der beteiligten Rechtsanwälte, während laut Mironi in einer Mediation die – anwaltlich durchaus beratenenen – Parteien im Vordergrund stehen, weil sie selbst am besten wissen, was gut für sie ist. In Vergleichsverhandlungen kreise das Gespräch um Sachverhalte aus der Vergangenheit und deren rechtliche Bewertung; in einer Mediation gehe es hingegen um die Interessen der Beteiligten in der Zukunft. Infolgedessen sei ein Mediationsvergleich häufig wertschöpfend und bedeute eine Weiterentwicklung der (Geschäfts-) Beziehung zwischen den Beteiligten. Demgegenüber müssten Vergleichsverhandlungen in der Regel vor allem schnell erledigt sein; in der Eile bleibe aber keine Zeit für echte, interessenorientierte Verhandlungen.
Entwicklung der Mediation in Israel
Vor dem Hintergrund dieser grundlegenden Unterschiede zwischen einer Mediation und einer Vergleichsverhandlung skizziert Mironi dann die jüngste Geschichte der Mediation in Israel. Dabei beschreibt er Israel zunächst als eine sehr klagefreudige Gesellschaft, deren Justiz eher knapp ausgestattet und damit tendenziell überlastet ist. 1992 wurde die Mediation per Gesetz in das israelische Zivilverfahren eingeführt; ungefähr gleichzeitig begannen Universitäten mit einer Anpassung ihrer Ausbildung im Hinblick auf die alternative Streitbeilegung. Ab 1998 wurde die Mediation angeführt durch den obersten Richter Aharon Barak politisch noch einmal deutlich stärker gefördert. In dieser Zeit gründeten sich viele Mediationszentren und Initiativen zur Unterstützung von Mediationsverfahren. Seit 2004 sei dann aber ein Niedergang der Mediation zu beobachten: Für die Gerichtsverwaltungen habe seitdem die zügige Bearbeitung offener Verfahren höchste Priorität, dadurch sei der verfahrensbeendigende Vergleich zum Selbstzweck geworden. In diesem Zuge habe sich der Fokus dann auch von der außergerichtlichen oder gerichtsnahen auf die gerichtsinterne Mediation verschoben, die wiederum ihren Namen nicht verdiene, weil sie – anders als die echte Mediation – nicht ein Instrument für sozialen und kulturellen Wandel, sondern allenfalls eine besondere Form von Vergleichsverhandlungen sei.
Lehren für die Mediation in Deutschland
Mironi zufolge zeigen Aufstieg und Niedergang der Mediation in Israel, wie wichtig begriffliche Klarheit bei unterschiedlichen Formen der Konfliktlösung sind. Gleichzeitig sei es von großer Bedeutung, die Rollen unterschiedlicher Institutionen für die Mediation zu klären, um das Verfahren nicht zu zweckentfremden. Diese Schlussfolgerungen könnten in der Tat auch für die Mediation in Deutschland bedeutsam sein, denn es deutet sich an, dass hierzulande eine ähnliche Entwicklung mit einiger zeitlicher Verzögerung stattfindet; so erfolgte etwa die Einführung der gerichtsinternen Mediation bzw. des Güterichterverfahrens durch das Mediationsgesetz 2012 etwa 20 Jahre nach der entsprechenden Gesetzgebung in Israel.
Der Beitrag von Professor Mironi ist in Band 19 der Harvard Negotiation Law Review (2014) auf den Seiten 173-211 erschienen. Er ist online als pdf abrufbar.