Mitte Dezember 2017 ist im Verlag C. H. Beck das Buch „Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb“ von Gerhard Wagner erschienen. Darin beschreibt Wagner den zunehmenden Wettbewerb der Justiz mit verschiedenen Formen der außergerichtlichen Streitbeilegung.

Wettbewerb zwischen Justiz und außergerichtlicher Streitbeilegung

Anknüpfend an die Initiative „Streitbeilegung made in Germany“ des Bundesjustizministeriums beschreibt Wagner das Verhältnis zwischen staatlichen Gerichten und außergerichtlichen Konfliktlösungsmechanismen als einen Wettbewerb. Danach ist die Entscheidung für eines dieser Verfahren jeweils eine Frage von Kosten und Nutzen für die Betroffenen. Wagner weist darauf hin, dass die Ziviljustiz zwischen 2005 und 2015 ein Viertel ihrer Fälle, also ihres Marktanteils verloren hat (vgl. auch die jüngsten Zahlen von 2016). Während ein Gerichtsverfahren etwa in deliktsrechtlichen Streitigkeiten nach wie vor hoch im Kurs stehe, habe die Justiz bei der Lösung vertragsrechtlicher Konflikte erheblich Bedeutung eingebüßt. Gleichzeitig sei schwer auszumachen, inwieweit sich diese Marktanteile auf andere Streitbeilegungsverfahren verschoben hätten. So habe beispielsweise die Schiedsgerichtsbarkeit in letzter Zeit durchaus wachsenden Zuspruch erfahren. Verglichen mit der Ziviljustiz seien die Verfahrenszahlen hier aber nach wie vor verschwindend gering. Eine gewisse Verlagerung von Fällen vom Amtsgericht zur Verbraucherschlichtung sei nicht unwahrscheinlich. Im Blick haben solle man aber vor allem auch die veränderte Konfliktkultur im Online-Handel, wo Streitigkeiten häufig durch kundenfreundliche Entscheidungen vermieden werden.

Internationales Handelsgericht würde die Ziviljustiz stärken

Damit sich der Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb mit alternativen Streitbeilegungsmechanismen im In- und Ausland besser behaupten kann, schlägt Wagner die Einführung von internationalen Handelsgerichten in Deutschland vor. Solche Gerichte könnten auf Ebene der Oberlandesgerichte angesiedelt sein. Die englische Sprache könnte man als Gerichtssprache zulassen, vor allem um die Zuziehung englischsprachiger Beweismittel ohne Übersetzung möglich zu machen. Bei Bezügen zum deutschen Recht könnte der Schriftverkehr weiterhin in deutscher Sprache stattfinden. Anders als beim Schiedsverfahren möchte Wagner bei einem solchen Handelsgericht auf die Öffentlichkeit des Verfahrens nicht verzichten. Der Bundesgerichtshof wäre Revisionsinstanz, bliebe allerdings beschränkt auf die Kontrolle von Rechtsfragen. Von einer so modernisierten Ziviljustiz erhofft sich Wagner eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit staatlicher Gerichte und einen Imagegewinn für die Justiz insgesamt. Die Justiz dürfe dem Wettbewerb der Konfliktlösungsmechanismen nicht ausweichen, sondern könne ihn durchaus als Chance begreifen.

Das Buch „Rechtsstandort Deutschland im Wettbewerb“ ist im Handel zum Preis von € 29,80 erhältlich.

Ein aktuelles BGH-Urteil lässt aufhorchen: Welchen Haftungsgefahren sind Mediatoren ausgesetzt? Kann sich ein Mediator schadensersatzpflichtig machen, wenn er bei der Mediation handwerkliche Fehler macht? Müssen sich Mediatoren womöglich zukünftig gegen Haftungsrisiken versichern? Ein näherer Blick auf die neueste Rechtsprechung des BGH zeigt, dass diese Sorge unbegründet ist.

Anwaltliche Gütestelle soll Scheidungsfolgenvereinbarung entwerfen

Der vom BGH zu entscheidende Fall (Urteil vom 21. September 2017, IX ZR 34/17, Volltext) betraf ein scheidungswilliges Ehepaar. Um Anwaltskosten zu sparen, hatten die Eheleute eine als Gütestelle zugelassene Rechtsanwältin damit beauftragt, eine faire Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen. Solche Vereinbarungen konkretisieren zum Beispiel den Ausgleich von Einkommen oder Rentenanwartschaften. Wenn etwa ein Ehegatte während der Ehe deutlich mehr als der andere verdient hat, sind die damit verbundenen Vorteile im Zweifel bei Scheidung der Ehe auszugleichen. Man spricht mit Blick auf das Einkommen vom Zugewinnausgleich und mit Blick auf Renten- oder anderweitige Versorgungsansprüche vom Versorgungsausgleich.

Einseitige Benachteiligung der Ehefrau

Im BGH-Fall hätte der Ehefrau einen Versorgungsausgleichsanspruch von knapp 100.000 € zugestanden. Die zugezogene Rechtsanwältin traf hierzu allerdings nur ungenügende Feststellungen und schlug daher einen gänzlichen Verzicht der Ehefrau auf den Versorgungsausgleich vor. Der später für das Scheidungsverfahren selbst auf Seiten der Ehefrau hinzugezogene Rechtsanwalt korrigierte diesen Fehler nicht mehr, so dass der Verzicht letztlich wirksam wurde. Die Ehefrau forderte die so verlorenen Ansprüche nunmehr von ihrem Rechtsanwalt als Schadensersatz ein; dieser nahm daraufhin die vorgerichtlich tätige Rechtsanwältin in Regress. Der BGH ließ den Anwalt gegenüber der Ehefrau haften, gab diesem aber einen Regressanspruch gegen die mit der Vorbereitung der Vereinbarung befasste Anwaltskollegin. Diese habe die Pflicht übernommen, eine der Rechtslage entsprechende Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie mangels sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts die Ehefrau einseitig benachteiligt habe. Insofern sei sie zum Schadensersatz verpflichtet.

BGH-Fall lag keine echte Mediation zugrunde

So weit, so gut und nachvollziehbar. Für Mediatoren Bedeutung erlangt der Fall nun dadurch, dass der BGH die Tätigkeit der als Gütestelle zugelassenen Rechtsanwältin als Mediation bezeichnete. Das war freilich unglücklich, denn im konkreten Fall handelte es sich gerade nicht um eine Mediation im Sinne von § 1 Abs. 1 MediationsG, weil die Eheleute die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht eigenverantwortlich entwickelten, sondern von der Anwältin weitgehend vorgeben ließen. Genau genommen war die Anwältin als Rechtsberaterin beider Eheleute tätig – was nach § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA als Vertretung widerstreitender Interessen verboten und womöglich sogar als Parteiverrat strafbar nach § 356 StGB ist.

Wichtig für Mediatoren: Keine Rechtsberatung erteilen!

Für Mediatoren bedeutet der Fall des BGH: Eine Haftung auf Schadenersatz droht dann, wenn man den Parteien einen Rechtsrat erteilt. Es gelten die Grenzen der § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG und des § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG: Mediatoren dürfen durchaus auf bestimmte rechtliche Rahmenregeln wie die Rechtswirkungen eines Vergleichs nach § 779 BGB hinweisen. Sie dürfen aber nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreifen. Wenn die Parteien einen Rechtsrat benötigen, müssen Mediatoren sie darauf hinweisen, dass sie Rechtsanwälte hinzuziehen können. Mediatoren, die sich an diese Grundregel halten, haben mit Blick auf das neue BGH-Urteil keine Haftung zu befürchten.