Der Blogbeitrag vom 9. Januar 2016 gibt einen ersten Überblick über die Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Güterichterverfahren nach § 278 Abs. 5 ZPO, das im Jahr 2014 erstmals von der amtlichen Statistik erfasst wurde. Nunmehr stellen wir auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamts eine ausführliche Güterichterstatistik zum kostenlosen Download (xlsx) zur Verfügung.

Erledigungsquote knapp 50%, Vergleichsquote knapp 30%

Die Güterichterstatistik zeigt: Die Amtsgerichte verweisen 1,5% ihrer Streitverfahren vor den Güterichter, vor den Landgerichten erfolgt der Verweis nach § 278 Abs. 5 ZPO in 2,3% der erstinstanzlichen Verfahren. Geringer ist die Verweisquote in landgerichtlichen Berufungsverfahren (0,6%) sowie vor den Oberlandesgerichten (0,9%). In knapp der Hälfte der Fälle führt die Verhandlung vor dem Güterichter zur Erledigung des Verfahrens. In knapp 30% der Fälle geschieht dies durch den Abschluss eines Vergleichs. Diese Zahlen variieren geringfügig zwischen den verschiedenen Gerichten; nennenswert ist allerdings die deutlich niedrigere Erledigungsquote in Berufungsverfahren vor dem Landgericht. Dass die Vergleichsquote erheblich hinter der Erledigungsquote zurückbleibt, könnte sich dadurch erklären, dass sich die Parteien womöglich bisweilen in der Güterichterverhandlung auf die Rücknahme der Klage oder ein Anerkenntnis einigen, ohne dass dies formal als Vergleich aufgenommen wird.

Güterichterstatistik: Geringfügig längere Verfahrensdauer

Die durchschnittliche Dauer erledigter Verfahren mit Güterichtertermin beträgt 7,8 Monate. Bemerkenswert ist, dass sich die Dauer von Zivilverfahren mit und ohne Einschaltung eines Güterichters nicht wesentlich unterscheidet. Vor Amtsgerichten dauern Verfahren, die an einen Güterichter verwiesen wurden, im Schnitt 1,5 Monate länger als sonstige Verfahren, vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht dauern sie durchschnittlich knapp drei Monate länger. Diese Verlängerung lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass die Verhandlungen vor dem Güterichter mit einigen Wochen Vorlauf terminiert werden und dadurch ein gewisser Zeitverlust entsteht (an einzelnen Gerichten wird allerdings zur Vermeidung einer Verzögerung sogleich ein alternativer Streittermin bestimmt). Die Zahlen zur Verfahrensdauer lassen demgegenüber keine Rückschlüsse darauf zu, dass vor allem langwierige Verfahren vor den Güterichter verwiesen werden, um die Akte schließen zu können. Es erscheint zwar nicht ausgeschlossen, dass der Verweis nach § 278 Abs. 5 ZPO insbesondere in komplexen Verfahren erfolgt, in diesem Fall jedoch würde der Effekt auf die Verfahrensdauer offenbar dadurch nivelliert, dass diese Verfahren früh als mediationsgeeignet erkannt und ggf. sogar noch vor einer streitigen Verhandlung ins Güterichterverfahren abgegeben würden.

Die ausführliche Güterichterstatistik steht hier zum kostenlosen Download (xlsx) zur Verfügung. Grundlage für die Statistik ist die Zahl aller in 2014 vor den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten erledigten Zivilverfahren.

Voraussichtlich am 1. April 2016 tritt das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft. In letzter Minute hat der Gesetzgeber darin eine Vorschrift zum zertifizierten Mediator aufgenommen. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG kann Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle nur sein, wer als Volljurist die Befähigung zum Richteramt besitzt oder wer die Voraussetzungen für den zertifizierten Mediator erfüllt.

Bislang keine Verordnung zum zertifizierten Mediator

Die Zulassung von zertifizierten Mediatoren als Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle kommt insofern unerwartet, als die dafür erforderliche Anerkennung zum zertifizierten Mediator gegenwärtig noch nicht möglich ist, weil das Bundesjustizministerium die Rechtsverordnung zum zertifizierten Mediator noch nicht erlassen hat. Entsprechend kritisch sind die Stimmen aus Wissenschaft und Praxis: Die Rede ist etwa von einem teilweisen Berufsverbot für Mediatoren, von einem ungerechtfertigten Eingriff in deren Berufsfreiheit nach Art. 12 GG oder von einer Unvereinbarkeit mit Erwägungsgrund 36 der ADR-Richtlinie, der den Verbraucherschlichtern – freilich als bloße Sollvorschrift – keine umfassende juristische Qualifikation abverlangen will. Nicht ausgeschlossen, dass das Bundesjustizministerium auf diese vehemente Kritik zeitnah reagiert, indem es die Rechtsverordnung zum zertifizierten Mediator nun zügig erlässt. Selbst wenn dies geschehen sollte, stellt sich freilich noch die Frage nach dem Sinn einer Vorschrift, die zwei sehr unterschiedliche Qualifikationen alternativ vorsieht.

Juristische oder mediative Kompetenz erforderlich?

Offenbar strebt der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG eine salomonische Lösung an, die juristische und mediative Kompetenzen für die Verbraucherschlichtung miteinander vereint. In ähnlicher Weise sind etwa in Österreich die staatlichen Zuschüsse für Mediatorenhonorare daran geknüpft, dass einer von zwei Co-Mediatoren einen psychosozialen Hintergrund und der/die andere eine juristische Qualifikation mitbringt. Damit setzt die österreichische Regelung einen Anreiz dafür, Kompetenzen beider Art in einem Mediatorenteam miteinander zu verbinden. Anders nun freilich die deutsche Regelung zur Verbraucherschlichtung: Ganz abgesehen davon, dass die in § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG vorgesehene Kompetenzanforderung nur für den Leiter einer Schlichtungsstelle gilt und damit womöglich eine unzureichende Umsetzung von Art. 6 der ADR-Richtlinie darstellt, scheinen dem deutschen Gesetzgeber offenbar die juristische wie auch die mediative Kompetenz verzichtbar. Denn wenn das Gesetz als Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle zulässt, wer entweder Volljurist oder zertifizierter Mediator ist, folgt daraus im Umkehrschluss, dass aus Sicht des Gesetzgebers keine dieser Qualifikationen zwingend erforderlich ist. Wenn allerdings beide Qualifikationen verzichtbar sind, stellt sich die Frage, welchen Zweck die Regelung insgesamt überhaupt hat.

Zielsetzung der Verbraucherschlichtung unklar

Tatsächlich offenbart die Formulierung des § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG ein tiefer liegendes Problem: Der Gesetzgeber etabliert ein Verfahren, das einerseits Verbraucherrechte nicht verkürzen soll, das andererseits aber auf einen Kompromiss der Parteien angelegt ist. Dabei scheut er die Entscheidung, ob es sich bei der Verbraucherschlichtung nun um ein rechts- oder um ein interessenorientiertes Verfahren handelt. Betrachtet man die Verbraucherschlichtung als rein interessenorientiertes Verfahren, so dürfte eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator als Berufsqualifikation des Verfahrensleiters genügen. Soll es sich hingegen um ein rechtsorientiertes oder gar rechtstreues Verfahren handeln, ist die juristische Qualifikation des Verfahrensleiters unabdingbar (vgl. die Grafik zu diesem Blogbeitrag). Will man beide Kompetenzen miteinander kombinieren, ist der österreichische Weg eine denkbare Lösung. Das Entweder-oder-Modell des deutschen Gesetzgebers kann allerdings kaum überzeugen.