Am heutigen Tage wird das Mediationsgesetz vier Jahre alt. Mit dem Erlass des Mediationsgesetzes führte der Gesetzgeber 2012 auch das Güterichterverfahren (alias gerichtsinterne Mediation) nach § 278 Abs. 5 ZPO ein. In zwei aktuellen Aufsätzen zieht der Erlanger Professor Dr. Reinhard Greger ein Fazit zur Gerichtspraxis der Güterichterverfahren seit dem Jahr 2012.

Zur Vereinbarkeit von Mediation und Richteramt

In einem Beitrag für die Gedächtnisschrift für Hannes Unberath beleuchtet Greger das Verhältnis von Mediation und Richteramt (GS Unberath, 2015, S. 111-120). Greger weist darauf hin, dass der Güteversuch auf eine uralte richterliche Tradition zurückschauen kann. Schon immer habe ein Richter seine Fälle nicht ausschließlich streitig entschieden, sondern auch ausgleichend zwischen den Parteien vermittelt. Mit diesem Rollenverständnis lasse sich die Mediation sehr gut vereinbaren. Greger erklärt zudem in einer lesenswerten Darstellung, wie es zum heutigen Wortlaut des § 278 Abs. 5 ZPO kam, der die Mediation als eine von mehreren möglichen Vermittlungstechniken des Güterichters beschreibt.

Güterichterverfahren als „unscheinbares Nebensträßchen“

Der zweite, gemeinsam mit Professor Dr. Walther Gottwald verfasste Beitrag Gregers beschäftigt sich kritisch mit der Implementation des Güterichterverfahrens in die gerichtliche Verfahrenspraxis (Gottwald/Greger, ZKM 2016, 84-88). Die Statistik zum Güterichterverfahren zeige, dass Streitrichter ihre Verfahren nur selten in das Güterichterverfahren und so gut wie nie in die gerichtsnahe Mediation verwiesen. Angesichts dessen, dass die §§ 278 Abs. 5, 278a ZPO eine Ermessensentscheidung des Richters verlangten, müsse man hier wohl häufig von fehlerhafter Ermessensausübung sprechen. Insgesamt sei man bei der Installation eines ausdifferenzierten Konfliktmanagements damit in den vergangenen Jahren kaum weitergekommen:

„Angesichts der positiven Auswirkungen, die ein differenziertes Konfliktmanagement für alle Beteiligten (Parteien, Rechtsanwälte und Richter), aber auch für die Rechtskultur insgesamt bringen könnte, ist die geschilderte, wohl allein auf Beharrungstendenzen zurückzuführende Entwicklung unverständlich. Im Grunde stehen wir in puncto „multioption-justice“ immer noch dort, wo wir vor 15 Jahren standen – allerdings mit einem wichtigen Unterschied: Inzwischen hat die Idee mit dem Güterichterverfahren Eingang in die Verfahrensgesetze gefunden; es hapert nur noch am Gesetzesvollzug. Das Güterichterverfahren wirkt wie ein unscheinbares Nebensträßchen, auf das man von der Autobahn abbiegen könnte. Weil dies eine Entscheidung erfordert, die der Macht des Gewohnten widerstrebt, bleibt man auf der Autobahn, obwohl der Nebenweg vielleicht schneller zum Ziel führen, viel Stress ersparen und das Entdecken reizvoller Gegenden ermöglichen würde. Bei der privaten Urlaubsreise sind Fehlentscheidungen dieser Art hinnehmbar, nicht aber beim richterlichen Konfliktmanagement. Wenn im konkreten Fall die Chance einer konsensualen Lösung besteht, die den Parteien eine schnelle, belastungsarme und interessengerechte Beendigung des Rechtsstreits eröffnet, darf der Richter sie nicht aus Gewohnheit, Aversion gegen Neues oder Informationsmangel übergehen.“

In einem Urteil vom 28. Oktober 2015 (Az. IV ZR 526/14, Volltext) hat der Bundesgerichtshof zur Hemmung der Verjährung durch Güteanträge nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. a BGB Stellung bezogen.

BGH: Berufen auf die Hemmung der Verjährung kann rechtsmissbräuchlich sein

Nach dieser Vorschrift können Anspruchsteller die Verjährung durch einen Streitbeilegungsantrag bei einer staatlichen oder staatlich anerkannten Gütestelle hemmen. Der BGH schränkt diese Vorschrift nunmehr ein: Der Anspruchsteller soll sich auf die Hemmung der Verjährung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht mehr berufen können, wenn der Anspruchsgegner vorab klar kommuniziert hat, dass er sich einem Güteverfahren verweigert. Der Anspruchsteller verdiene den Schutz der Verjährungshemmung nicht, wenn er von vornherein wisse, dass sein Güteantrag aussichtslos sei. Mit anderen Worten: § 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. a BGB soll nicht dazu genutzt werden, Zeit für die sorgfältige Vorbereitung eines Gerichtsprozesses zu schinden. Diese Überlegung des BGH ist freilich nicht ohne Kritik geblieben. Kern der Argumentation: Selbst wenn sich der Anspruchsgegner vorab der Mitwirkung an der alternativen Streitbeilegung verweigere, lasse sich nicht vorweg pauschal beurteilen, ob ein außergerichtlicher Einigungsversuch nicht letztlich doch Erfolg haben könne.

Schwindende Rechtssicherheit bei der Hemmung der Verjährung durch Güteanträge

Die Rechtsprechung des BGH hat erhebliche Folgen für das Vorgehen von Rechtsanwälten, die die Anrufung einer Gütestelle erwägen – sei es aus taktischen Gründen oder weil sie tatsächlich eine außergerichtliche Einigung anstreben. Jedenfalls dann, wenn der Anspruchsgegner die Forderung rundheraus abgestritten oder sogar explizit seine Mitwirkung am Güteverfahren verweigert hat, lässt sich die Verjährung auf dem gewohnten Wege nun nicht mehr rechtssicher hemmen. Als rechtssichere Alternative zur Klage verbleibt ihnen nur der Versuch, vor Eintritt der Verjährung mit der Gegenseite eine Verständigung über die Aufnahme von Verhandlungen (§ 203 BGB), über die einverständliche Einleitung eines Güteverfahrens (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 lit. b BGB) oder über einen Verzicht des Anspruchsgegners auf die Einrede der Verjährung zu erreichen.

Strategische Überlegungen des Anspruchsgegners

Der anwaltliche Vertreter des Anspruchgegners wird nach dem Urteil des BGH nun häufig überlegen, die Mitwirkung an einem etwaigen Güteverfahren rein vorsorglich bereits klar abzulehnen, um eine Hemmung der Verjährung durch einen Güteantrag von vornherein zu verhindern. Sinnvoller wäre es freilich regelmäßig, statt der vorsorglichen Flucht aus dem Güteverfahren mit dem Mandanten ergebnisoffen zu besprechen, ob eine konsensuale Konfliktlösung nicht doch die bessere Alternative darstellt. Denn der Eintritt der Verjährung ist für den Anspruchsgegner selten gewiss, weil er die übrigen Hemmungstatbestände des § 204 BGB nicht in der Hand hat.

BGH-Entscheidung inzwischen mehrfach bestätigt

Die Entscheidung des BGH wurde inzwischen durch zwei Urteile vom 25. Mai 2016 (Az. IV ZR 110/15 und IV ZR 197/15) bestätigt. Die Problematik der Hemmung der Verjährung durch Güteanträge ist Gegenstand einer Vielzahl von teilweise sehr aktuellen Veröffentlichungen.

  • Wagner, ZKM 2002, 103-108
  • Eidenmüller, SchiedsVZ 2003, 163-170
  • Staudinger/Eidenmüller, NJW 2004, 23-26
  • Nassall, jurisPR-BGHZivilR 1/2016 Anm. 2
  • Grys, BKR 2016, 114-116
  • May/Röder, NJW 2016, 235-236
  • Fries, JZ 2016, 723-728

Die Brexit-Verhandlungen als Strategiespiel: Ein Beitrag von Horst Eidenmüller für den Oxford Business Law Blog beschäftigt sich mit den Brexit Negotiation Games. Wer hat in diesem Spiel die besseren Karten?

Brexit-Verhandlungen auf Grundlage von Art. 50 EU

Rechtliche Grundlage für einen Austritt aus der Europäischen Union und Hintergrund für die anstehenden Brexit-Verhandlungen ist Art. 50 des EU-Vertrages. Dort heißt es:

(1) Jeder Mitgliedstaat kann im Einklang mit seinen verfassungsrechtlichen Vorschriften beschließen, aus der Union auszutreten.

(2) Ein Mitgliedstaat, der auszutreten beschließt, teilt dem Europäischen Rat seine Absicht mit. Auf der Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates handelt die Union mit diesem Staat ein Abkommen über die Einzelheiten des Austritts aus und schließt das Abkommen, wobei der Rahmen für die künftigen Beziehungen dieses Staates zur Union berücksichtigt wird. Das Abkommen wird nach Artikel 218 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgehandelt. Es wird vom Rat im Namen der Union geschlossen; der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit nach Zustimmung des Europäischen Parlaments.

(…)

Ist ein Mitgliedstaat einmal aus der Europäischen Union ausgetreten, möchte später aber wieder Mitglied werden, muss er sich gemäß Art. 50 Abs. 5 EU i.V.m. Art. 49 EU ohne Privilegien wieder neu in die Gruppe der Anwärter einreihen.

Brexit-Verhandlungen: Die EU sitzt am längeren Hebel

In seinem Beitrag für den Oxford Business Law Blog analysiert Horst Eidenmüller die Interessen, Optionen und Nichteinigungsalternativen des Vereinigten Königreichs einerseits und der EU andererseits. Das Vereinigte Königreich habe ein großes Interesse, in den Brexit-Verhandlungen möglichst viele Vorteile des gemeinsamen Binnenmarkts zu wahren und möglichst wenige Kosten zu verursachen. Da das Ergebnis der Verhandlungen zunächst offen sei, werde das Vereinigte Königreich den formalen Austrittswunsch womöglich hinausschieben, bis die Bedingungen eines Austritts absehbar seien. Allerdings müsse sich die Europäische Union vor der Erklärung des Austrittswunsches nicht auf Verhandlungen einlassen. Die Verhandlungsmacht liege insofern ganz bei der EU.

Die EU kann keine guten Bedingungen anbieten

Mehr noch: Eidenmüller zufolge kann die Union dem Vereinigten Königreich kaum gute Bedingungen anbieten, wenn sie nicht die verbleibenden Mitgliedstaaten ihrerseits zum Austritt verleiten will. Insofern sei damit zu rechnen, dass Großbritannien und Nordirland wesentliche Vorteile, die mit der EU-Mitgliedschaft verbunden sind, nicht werden aufrecht erhalten können. Sie dürften sich dann nach den Brexit-Verhandlungen auch hinsichtlich der unionalen Privilegien ganz außerhalb der EU wiederfinden. Das Vereinigte Königreich sei dann wieder ein schlichter Anwärter für einen Wiedereintritt, Seite an Seite mit der Türkei.

Der Beitrag von Horst Eidenmüller ist auf den Seiten des Oxford Business Law Blog online abrufbar.

Update: Ein deutschsprachiger Beitrag von Horst Eidenmüller und Andreas Hacke zum Brexit-Poker findet sich in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Juli 2016 auf S. 6 und ist auf der Webseite der F.A.Z. online frei zugänglich.