Zeitgleich mit dem Inkrafttreten des Mediationsgesetzes 2012 wurde die gerichtsinterne Mediation als sog. Güterichterverfahren in § 278 Abs. 5 der Zivilprozessordnung verankert. Danach können die klassischen Streitrichter nunmehr Streitigkeiten an einen speziellen Güterichter verweisen, der sich in einem informalen Treffen mit den Parteien darum bemüht, den Streit einvernehmlich beizulegen. Ungefähr zwei von drei Güterichterverfahren enden mit einem Vergleich. Im Jahr 2013 zählte die Statistik (pdf) über 6.000 solcher Verfahren vor den Zivilgerichten. Dies wird allerdings bisweilen als unbefriedigend empfunden, weil die Fallzahlen der Güterichterverfahren im Vergleich zum streitigen Gerichtsverfahren immer noch verschwindend gering sind; bei den Landgerichten etwa machte die gerichtsinterne Mediation 2013 kaum mehr als 1% aller Zivilverfahren aus.

Wettbewerb um die meisten Güterichterverfahren

Zur Förderung des Güterichterverfahrens greift nun der neue Präsident des Oberlandesgerichts Braunschweig zu unkonventionellen Mitteln. Dem Güterichter-Blog von Professor Reinhard Greger zufolge rief er bei einem Treffen der niedersächsischen Güterichter einen Wettbewerb der drei niedersächsischen Oberlandesgerichtsbezirke Braunschweig, Celle und Oldenburg darum aus, welcher von ihnen im Jahr 2016 die meisten Güterichterverfahren durchführen werde. Als Gewinnprämie setzte er 30 Flaschen Rotwein aus. Es bleibt abzuwarten, inwieweit diese Initiative Resonanz findet oder womöglich in anderen Bundesländern aufgegriffen wird. Insbesondere in Niedersachsen, das sich als Vorreiter für die gerichtsinterne Mediation begreift, sind die Ziele durchaus ehrgeizig. So äußerte etwa der Vizepräsident des Landgerichts Hannover, er wolle „eine Zielmarke von 10 Prozent an Güteverfahren erreichen“ (HAZ v. 9. Juli 2015, S. 15). In Anbetracht dessen, dass sich bestimmte Falltypen wie der vorläufige Rechtsschutz kaum für das Güterichterverfahren eignen, dürfte die gerichtsinterne Mediation bei einer Realisierung dieser Ziele endgültig zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz für das streitige Gerichtsverfahren aufsteigen.

In einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ 2015, 134-138) beschäftigt sich die Berliner Anwältin Monika Pasetti mit der Implementation der Wirtschaftsmediation in die Beratungspraxis von Großkanzleien. Darin plädiert sie zusätzlich zu der aktuell üblichen Verortung im Bereich Dispute Resolution für eine breite Verankerung der Mediation in allen Tätigkeitsfeldern großer Anwaltssozietäten.

Geringe Anreize zur Integration der Mediation in die Beratungspraxis

Wenn die Mediation in Wirtschaftskonflikten bisher noch eine begrenzte Rolle spiele, so liegt dies Pasetti zufolge weniger daran, dass es auf Seiten der Unternehmen nur ein geringes Bedürfnis nach konsensorientierter Konfliktlösung gibt, sondern vielmehr an einer unzureichenden Integration der Wirtschaftsmediation in der anwaltlichen Beratungspraxis. In Großkanzleien manifestiere sich dies insbesondere darin, dass im Wesentlichen nur die Praxisgruppe Dispute Resolution über Mediationskompetenz verfüge. Diese sei aber typischerweise weniger mit der Konfliktprävention als mit der Austragung von Streitigkeiten befasst und habe insofern nur begrenzte Möglichkeiten, die Mediation zur Anwendung zu bringen. Dies gelte umso mehr, als die gerichtliche und die schiedsgerichtliche Konfliktlösung eingetretene Pfade seien, die zu verlassen immer besonderer Begründung bedürfe. Hinzu komme, dass der Mediator nach dem Mediationsgesetz nicht aus der Sozietät des mandatierten Anwalts stammen dürfe, mithin Fallverantwortung nach außen delegiert werden müsse. Und selbst dort, wo im konkreten Fall noch kein Mandat bestehe, könnte die Dispute Resolution Practice einer Großkanzlei vor der Übernahme eines Mediationsmandats zurückscheuen, schließe dieses doch in der Regel eine spätere anwaltliche Tätigkeit von Sozietätskollegen für die streitbeteiligten Parteien aus.

Wirtschaftsmediation jenseits des Praxisbereichs Dispute Resolution

Angesichts dieser strukturellen Hindernisse bei der Eingliederung der Mediation in die Anwaltspraxis votiert Pasetti dafür, die außergerichtliche Streitbeilegung gerade auch in die Arbeitsbereiche jenseits der Dispute Resolution hineinzutragen. Dies könne insbesondere durch die Einbindung der Wirtschaftsmediation in die Vertragsgestaltung geschehen. So sollten Mediationsklauseln oder auch gestufte Eskalationsklauseln systematisch in Verträge und womöglich auch in Geschäftsordnungen für Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte integriert werden. Dadurch lasse sich gewährleisten, dass im Streitfall zur Konfliktlösung nicht ein unnötig scharfes Schwert gezogen werde. Ob das weiterhin von Pasetti befürwortete kanzleiübergreifende Netzwerk zur gegenseitigen Vermittlung von Mediationsmandaten mit § 3 Abs. 2 MediationsG vereinbar wäre, mag indes bezweifelt werden. Überzeugender erscheint hier die auch in der gegenwärtigen Praxis zu beobachtende Tendenz, Wirtschaftsmediatoren ohne Anbindung an eine Großkanzlei zu bevorzugen, um die uneingeschränkte Neutralität des Mediators sicherzustellen.

Der Beitrag von Monika Pasetti ist online abrufbar im Portal beck-online.