Bei den Zivilgerichten brechen die Fallzahlen ein. Die Gründe dafür gelten als unklar. Ein Teil der Entwicklungen könnte allerdings auf veränderte Aktivitäten der Rechtsschutzversicherer zurückzuführen sein. Rechtsschutzversicherer fördern nicht nur die klassische Mediation, sondern haben mit der so benannten Telefonmediation eine eigene Art von außergerichtlicher Streitbeilegung entwickelt. Was ist unter einer Telefonmediation zu verstehen und was ist davon zu halten? In einem aktuellen Beitrag in der Zeitschrift Spektrum für Versicherungsrecht hält der Autor mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.

Telefonmediation = Vergleichsdruck am Telefon

Das Wichtigste vorweg: Bei einer Telefonmediation handelt es sich nicht um eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes. Es fehlt unter anderem an der in § 1 Abs. 2 MediationsG geforderten Neutralität und Unabhängigkeit des Vermittlers. Bei einer Telefonmediation beauftragt eine Rechtsschutzversicherung einen Rechtsanwalt, die Konfliktparteien abwechselnd anzurufen, um sie zu einer gütlichen Einigung zu bewegen. Es geht um eine schnelle Konfliktlösung und um die Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung. Das ist vor allem im Interesse der Versicherung, denn diese steht im Zweifel für die Kosten eines Rechtsstreits gerade.

Im Stil einer mater dolorosa…

Entsprechend kritisch fällt die Bewertung der Telefonmediation in Teilen der Literatur aus. Sehr plastisch formulierte jüngst der Frankfurter Rechtsanwalt Martin Riemer im Spektrum für Versicherungsrecht (SpV 2017, 24, 25 f.) seine Einschätzung über das Kalkül der Versicherer:

„Wenn ein Versicherungsnehmer Leidensdruck wegen eines Rechtsproblems verspürt, soll er sich bitte nicht über die Gelben Seiten oder google einfach selber einen Anwalt suchen, sondern deswegen gefälligst zunächst bei seiner Versicherung anrufen. Ggf. wird ihm dies durch Rabattsysteme schmackhaft gemacht, die beim Beschreiten dieses Weges die Selbstbeteiligung reduzieren oder gar entfallen lassen. Dort wartet dann in einem ersten Schritt, nach Durchlaufen des Telefonmenüs mit einer hypnotisierenden Frauenstimme, die im Stil einer mater dolorosa zart gehaucht Einfühlung und die Illusion zu vermitteln sucht, ihm sein Problem unmittelbar abzunehmen (ihn tatsächlich aber lediglich zum Drücken der Taste 1 animieren möchte), die „unkomplizierte und jederzeit erreichbare kostenfreie telefonische Erstberatung“ auf ihn, die – man weiß dies jedenfalls vorher nie so genau – ihm 1. entweder sein Problem am Telefon löst, 2. das Problem ausredet, 3. wenn dies nicht geht: eine sog. „Mediation“ vorschlägt oder 4. wenn der Versicherungsnehmer gleichwohl immer noch einen Anwalt persönlich sprechen möchte, ihm aus der Liste der intern geführten sog. Vertrauensanwälte dazu eine Empfehlung in Ortsnähe ausspricht. Dies selbstverständlich alles nur aus Gründen der Qualitätsverbesserung, völlig uneigennützig und lediglich im besten Interesse des Kunden verstanden (na klar, was denn sonst?).“

Telefonmediation oder Telefon-Voodoo?

Wenig Verständnis hat Riemer in diesem Zusammenhang für den Begriff der Mediation:

„Dass das Verständnis der Versicherer dessen, was sie als „Mediation“ bezeichnen, eine schmerzliche verbale Vergewaltigung der eigentlichen Bedeutung dieses Begriffs ist, und kaum mehr, sei hier ausdrücklich erwähnt. Tatsächlich segeln Versicherungen, indem sie „Mediation“ für sich reklamieren, unter falscher Flagge. Es geht vielmehr um eine sog. telefonische Shuttlemediation: Die Versicherung ruft beim Gegner an und fragt, ob er sich nicht auf die Hälfte vergleichen möchte (sehr viel mehr ist oftmals jedenfalls nicht drin). Dass sie bei diesem vermeintlichen Telefon-Voodoo bei einem mittleren Arzthaftungsstreitwert bereits mehr als das Zehnfache der Jahresprämie spart, wenn dafür kein freier Anwalt eingeschaltet wird, und darin ihre eigentliche Motivation liegt, verschweigt sie ihren Versicherungsnehmern…“

Wer steuert das Rechtssystem?

Bei aller Kritik konzediert Riemer, dass die Telefonmediation für Rechtsschutzversicherer nicht primär ein Mittel zur Profitsteigerung, sondern vermutlich eher aus der Not geboren ist. Für Rechtsanwälte bestehen erhebliche wirtschaftliche Anreize, für rechtsschutzversicherte Mandanten großzügig Prozesse zu führen. Die häufig verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tut das ihrige dazu, dass nicht wenige Mandanten bis in die letzte Instanz gehen. Infolgedessen geraten die Rechtsschutzversicherer unter Kostendruck, obwohl die Fallzahlen vor den Zivilgerichten insgesamt zurückgehen. Ob die Telefonmediation freilich das passende Instrument zur Bewältigung dieser Probleme ist, darf man mit Riemer aber bezweifeln:

„Würde es ihnen [den Rechtsschutzversicherern] gelingen, ihre [Versicherungsnehmer] flächendeckend zu steuern, könnten sie in weiten Teilen darüber auch das Rechtssystem steuern.“

Literatur zur Telefonmediation

  • Riemer, Warum und wie Rechtsschutzversicherungen Datenbanken für ein „Partnernetzwerk“ mit sog. Vertrauensanwälten unterhalten? SpV 2017, 24-28
  • Fries, Rechtsschutzversicherung und Rechtsdienstleistung, in: Behme/Fries/Stark (Hrsg.), Versicherungsmechanismen im Recht, Mohr Siebeck, Tübingen 2016, S. 1-13
  • Engel, in: Eidenmüller/Wagner (Hrsg.), Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rn. 55 ff.
  • Cornelius-Winkler, Schadenfreiheitsrabatte und „aktives Schadenmanagement“ – Paradigmenwechsel in der Rechtsschutzversicherung? NJW 2014, 588-591
  • Risch, Rechtsschutzversicherung – falsa demonstratio? ZfS 2014, 61
  • Cornelius-Winkler, Schadenmanagement der Rechtsschutzversicherer im Verkehrsrecht, SVR 2013, 201-208
  • van Bühren, Die ARB 2012 – Ein Danaer-Geschenk? BRAK-Mitt. 2013, 255-258
  • Goslar Institut (Hrsg.), Recht haben und Recht bekommen: Rechtsschutzversicherung im Wandel, 2011, online als pdf