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Die so genannte Caucus-Mediation ist eine Spielart der Mediation, die vor allem in den USA praktiziert wird. Im Unterschied zur in Kontinentaleuropa vorherrschenden Mediationspraxis besteht eine Caucus-Mediation vornehmlich aus Einzelgesprächen: Der Mediator vermittelt als Shuttle zwischen beiden Parteien. In einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) befasst sich Horst Eidenmüller mit der Frage, was einen Caucus charakterisiert und ob darin eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes zu sehen ist.

Ablauf einer Caucus-Mediation

Der Ablauf einer Caucus-Mediation weicht üblicherweise zumindest teilweise vom Ablauf einer klassischen Mediation nach dem 5-Phasenschema ab. Das Verfahren beginnt mit einem Eröffnungsstatement des Mediators, das häufig noch im Plenum, d.h. unter Anwesenheit beider Parteien, stattfindet. Anschließend legen die Parteien regelmäßig in einem sog. opening statement kurz ihre jeweilige Sicht der Dinge dar. Danach trennen sich die Wege beider Seiten. Der Mediator pendelt dann als Vermittler zwischen beiden Parteien hin und her. Er macht Gebrauch von Fragetechniken, um mehr über die Verhandlungsbereitschaft der Beteiligten zu erfahren und sie zur Reflektion über mögliche Lösungen anzuregen. Er kann abhängig von der Definition seiner Rolle durch die Parteien das Augenmerk auf die Interessen der Beteiligten lenken, kann sich aber auch auf eine Moderation rein distributiver Verhandlungen beschränken. Ob die Gespräche vertraulich sind, ist ebenfalls der Gestaltungsfreiheit der Beteiligten anheim gegeben. Die Verhandlungen münden im Idealfall in eine Einigung der Parteien; wie auch bei der klassischen kontintenaleuropäischen Mediation kommt es aber auch regelmäßig vor, dass man streitig auseinandergeht.

Vorteile und Nachteile der Caucus-Mediation

Nach der Darstellung des Ablaufs einer Caucus-Mediation geht Eidenmüller auf die wichtigsten Vor- und Nachteile dieses Verfahrens ein. Ein häufiger Kritikpunkt lautet Eidenmüller zufolge, dass die Interessen der Parteien im Caucus zu kurz kämen. Das Verfahren sei – so die Skeptiker – kaum mehr als ein „strukturierter Basar“; an echtes gegenseitiges Verständnis oder eine Verbesserung einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung sei regelmäßig nicht zu denken. Dem setzt Eidenmüller entgegen, häufig sei eine Verbesserung der Beziehung nicht oberste Priorität bei der Konfliktlösung. Wenn es vorrangig einen bloßen Verteilungskonflikt zu lösen gelte, könne dies regelmäßig gut im Wege einer Shuttle-Mediation geschehen. Auch in emotionalen und hocheskalierten Streitigkeiten sei der Rückzug auf Einzelgespräche häufig die einzige realistische Möglichkeit, um einer Konfliktlösung näher zu kommen. Weiterhin sei es in internationalen Streitigkeiten nicht selten auch die Sprachbarriere, die eine klassische Plenums-Mediation verhindere. Ohne Frage stelle der Caucus allerdings eine besondere Herausforderung für den Mediator dar, weil die Parteien häufig versucht seien, ihn als Werkzeug einzusetzen und die Verhandlungen so zu manipulieren.

Caucus-Mediation als Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes

Am Ende seines Beitrags wendet sich Eidenmüller der Frage zu, ob die Caucus-Mediation eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes sei. Mit Blick darauf, dass das Mediationsgesetz von eigenverantwortlicher Kommunikation der Parteien spreche, werde dies bisweilen in Zweifel gezogen (so etwa Greger für den Fall, dass die Beteiligten eine Plenumssitzung von vornherein ausschließen; ZKM 2015, 172 f.). Dem hält Eidenmüller entgegen, zum einen zähle § 1 Abs. 1 MediationsG das Verhandlungsplenum nicht zum zwingenden Kern der Charakteristika einer Mediation, und zum anderen erlaube auch § 2 Abs. 3 MediationsG ausdrücklich Einzelgespräche der Parteien. Der Gesetzgeber habe den Mediationsbegriff bewusst für die Gestaltung durch die Beteiligten offen gehalten. Auch eine Caucus-Mediation sei insofern als Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes zu begreifen.

Der Beitrag von Eidenmüller ist der langjährigen Chefredakteurin der ZIP, Katherine Knauth, gewidmet. Er ist in der Beilage zu Heft 22/2016, S. 18-20, erschienen und auf der Webseite der ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht abrufbar.

Die US-amerikanische Streitbeilegungs-Institution JAMS hat im April 2015 unter ihren assoziierten Mediatoren, Schlichtern und Schiedsrichtern eine Umfrage zur Bedeutung von Einzelgesprächen (sog. Caucus) in der Mediation durchgeführt. Die Rückmeldung der über 200 Umfrageteilnehmer unterstreicht einmal mehr die große, teilweise sogar wachsende Bedeutung des Caucussing in der Mediation US-amerikanischer Prägung.

Einzelgespräche: Erhebliches Ost-West-Gefälle

Die Umfrage offenbart, dass viele Mediatoren in den USA zu Beginn ihrer Tätigkeit großen Wert auf gemeinsame Mediationssitzungen legen, später aber überwiegend Shuttle-Mediationen ohne ein Verhandlungsplenum durchführen, in denen der Mediator ausschließlich zwischen den Parteien hin- und herpendelt. 80% der Befragten führten die Mediationsparteien zu Beginn ihrer Mediationstätigkeit noch zu gemeinsamen Sitzungen zusammen. Heute allerdings mediiert weniger als die Hälfte der US-Mediatoren (45%) überhaupt noch regelmäßig im Plenum. Vergleichsweise verbreitet sind gemeinsame Verhandlungen noch an der Ostküste, wo 70% der Befragten angaben, diese Mediationsform zu nutzen. Im südlichen Kalifornien hingegen, der Heimat der Organisation JAMS, sind es nur ganze 23%.

Einzelgespräche in Europa abhängig vom Einzelfall

Das inneramerikanische Ost-West-Gefälle der Mediationsstile setzt sich in Europa fort. Hier findet sich gleichsam der Gegenentwurf zur Mediation kalifornischer Prägung. Während sich die Parteien einer Mediation am Sitz der JAMS in San Jose häufig gar nicht sehen, geschieht es bei europäischen Mediatoren nur selten, dass sie das Plenum verlassen und in Einzelgespräche ausweichen. Der caucusbasierte Mediationsstil nimmt für sich in Anspruch, dem häufig von Anwälten geäußerten Wunsch nach einer bloßen Vermittlung zwischen den geäußerten Positionen Rechnung zu tragen. Demgegenüber wurzelt das europäische Modell in der Überzeugung, dass wertschöpfende Lösungen nur auf Basis einer sorgfältigen Interessenerforschung zustande kommen können und damit gegenseitiges Verständnis notwendig voraussetzen.

Ein ausführlicher Bericht über die Studie zum Einsatz von Einzelgesprächen findet sich in englischer Sprache online auf den Seiten der JAMS.