In einem Beitrag für die aktuelle Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ 2014, 265-274) setzt sich der Frankfurter Rechtsanwalt Professor Dr. Jörg Risse kritisch mit Stimmen aus der Presse auseinander, die in der Nutzung von Schiedsverfahren zur Lösung von Wirtschaftskonflikten eine Abkehr vom Rechtsstaat sehen. So hatten etwa die Wirtschaftswoche, die ZEIT und die Frankfurter Rundschau Beiträge veröffentlicht, die insbesondere die internationale Investitionsschiedsbarkeit in ein fragwürdiges Licht rückten. Risse nennt diese Kritik populistisch und verweist darauf, dass sich die Seriosität des Schiedsverfahrens durch harte Fakten belegen lasse. Arbitration-Bashing sei unberechtigt und müsse gerade unter Schiedsrechtlern entschiedenen Widerspruch finden.
Risse: Schiedsverfahren sichern Investorenrechte
Kumulationspunkt der neueren Kritik an der Schiedsgerichtsbarkeit ist der Fall Vattenfall AB gegen die Bundesrepublik Deutschland, in dem das schwedische Energieunternehmen Vattenfall 4,7 Mrd. € Entschädigung wegen der verfrühten Stilllegung seiner Atomkraftwerke in Deutschland verlangt. Risse skizziert, dass es eine weit verbreitete Befürchtung gebe, Schiedsurteile von dieser Tragweite zu Lasten einzelner Staaten unterminierten demokratisch legitimierte Entscheidungen (wie diejenige des Atomausstiegs). Allerdings seien diese Befürchtungen unbegründet, denn zum einen gebe es keinerlei empirischen Beleg für einen übermäßigen Investorenschutz durch Schiedsgerichte und zum anderen stünden Schiedssprüche stets unter dem Vorbehalt des ordre public, insofern habe die staatliche Justiz zumindest in extremen Fällen durchaus noch das letzte Wort. Gleichzeitig sei ein erhebliches Bedürfnis für die Tätigkeit gerade von Investitionsschiedsgerichten festzustellen, denn häufig gebe es keine andere Möglichkeit, Staaten in die Verantwortung zu nehmen. Das verdeutliche etwa das Beispiel eines deutschen Investors in Turkmenistan, der nur durch die Vollziehung eines Schiedsspruchs der ICSID zu seinem Recht kam. Freilich könne man darüber diskutieren, durch eine entsprechende Gestaltung der bilateralen Investitionsschutzabkommen dafür zu sorgen, dass geänderte Umweltschutz- und Verbraucherschutzgesetze nicht als Eingriff in Investorenrechte gälten. Damit schwände indes auch die Attraktivität eines Investitionsstandorts, die durch die bilateralen Abkommen gerade gestärkt werden soll.
Volenti non fit iniuria
Als weiteren Aspekt, der auch außerhalb der Investitionsschiedsbarkeit von zentraler Bedeutung sei, nennt Risse die freie Verfahrenswahl der Streitparteien. Gemäß dem Grundsatz des „volenti non fit iniuria“ dürfe der Staat seinen Bürgern seine Justiz – von einigen Ausnahmen abgesehen – nicht aufdrängen, sondern müsse ihre Entscheidung respektieren, wenn sie sich privat und vertraulich einigen wollten. Das sei auch überhaupt nichts Neues, schließlich stelle die Schiedsgerichtsbarkeit keinen modernen Trend dar, sondern sei schon seit über hundert Jahren in der deutschen Zivilprozessordnung verankert. Der Gesetzgeber habe zuletzt mit dem Mediationsgesetz gezeigt, dass er eine vertrauliche Einigung der Streitparteien positiv bewerte. Das gelte zwar nur begrenzt für Rechtsstreitigkeiten mit staatlicher Beteiligung wie etwa Investitionsschutzsachen, hier allerdings gebe es wie in der gesamten Schiedsgerichtsbarkeit durchaus einen Trend zu mehr Transparenz (so auch schon das Petitum von Moritz Renner im Interview mit dem LTO). Die Sorge vor geheimen Absprachen zu Lasten der Allgemeinheit sei insofern völlig unbegründet.
Schiedsverfahren als Konkurrenz für die staatliche Justiz?
Risse zufolge befriedigen Schiedsverfahren insofern ein berechtigtes Bedürfnis nach einer Streitbeilegung ohne staatliche Intervention. Gleichzeitig könne die staatliche Justiz durchaus hie und da von der Schiedsgerichtsbarkeit lernen, etwa durch Einführung von Englisch als möglicher Verfahrenssprache oder durch eine bessere IT-Ausstattung, wie sie von Schiedsgerichten heute schon routinemäßig verwendet wird. Unbegründet sei auch die Sorge vor einer Entwertung der staatlichen Gerichte, unangemessen der Vorwurf, Schiedsgerichte minderten das Gebührenaufkommen der staatlichen Gerichtsbarkeit. Ein in der Tat diskutables, aber viel zu wenig diskutiertes Problem liege wiederum in der Tatsache, dass Konflikte mancher Rechtsbereiche heute kaum mehr zu den Gerichten gelangten und dadurch die Orientierungsfunktion der Rechtsprechung leide. Umso wichtiger sei die Veröffentlichung von Schiedssprüchen; hier nehme etwa die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) durchaus eine Vorbildfunktion ein.
Der Beitrag von Professor Risse findet sich in Heft 6 der SchiedsVZ 2014 (S. 265-274). Er ist ebenfalls abrufbar über das Portal beck-online.