Können sich Fachanwältinnen und Fachanwälte eigentlich eine Mediationsausbildung als Fortbildung im Sinne von § 15 der Fachanwaltsordnung (FAO) anrechnen lassen?
Fortbildungspflicht für Fachanwälte nach § 15 FAO
Die Fortbildungspflicht für Fachanwältinnen und Fachanwälte regelt § 15 der Fachanwaltsordnung. In dessen Abs. 1 S. 2 und 3 heißt es:
„Wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, muss kalenderjährlich auf diesem Gebiet wissenschaftlich publizieren oder an fachspezifischen der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen. Die hörende Teilnahme setzt eine anwaltsorientierte oder interdisziplinäre Veranstaltung voraus.“
Anbieter von Anwaltsseminaren haben eine Reihe unterschiedlicher Standardfortbildungen im Programm, die spezifisch für eine der inzwischen 24 verschiedenen Fachanwaltschaften als Fortbildung aufgesetzt und ausgeflaggt sind. Wie aber verhält es sich mit nicht fachanwaltsorientierten Veranstaltungen wie einer Mediationsausbildung? Sind sie „fachspezifisch“ im Sinne von § 15 FAO?
Mediationsausbildung als fachspezifische Fortbildung?
Die Antwort lautet wie so häufig: Es kommt darauf an! Lehrreich im Hinblick auf die Anforderungen an die fachspezifische Ausrichtung einer Fortbildung ist eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2016. Seinerzeit hatte der BGH – noch zur alten Rechtslage, aber insoweit ohne Unterschied – zu entscheiden, ob eine Fortbildung zu „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“ ausreichend fachspezifisch ist, um als Fortbildung für Fachanwälte für Verkehrsrecht anerkannt zu werden. (BGH v. 18. Juli 2016, AnwZ (Brfg) 46/13, Volltext). Die drei Kernerkenntnisse aus der BGH-Entscheidung lauten:
- Eine Fortbildung im Sinne von § 15 FAO muss den Bezug zu einer bestimmten Fachanwaltschaft nicht im Veranstaltungstitel tragen.
- Eine Fortbildung im Sinne von § 15 FAO darf sich nicht auf juristische Grundkenntnisse beschränken, wie sie üblicherweise in Studium und Referendariat vermittelt werden.
- Ein Indiz für ausreichenden Fachbezug sind fachspezifische Fälle, die im Rahmen der Fortbildung bearbeitet werden.
Weil Mediationsfähigkeiten in Studium und Referendariat üblicherweise nicht vermittelt werden (Ausnahmen bestätigen die Regel), bedeutet das: Eine Mediationsausbildung ist ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung als Fortbildung nach § 15 FAO anerkennungsfähig, soweit sie Themen oder Fälle mit entsprechendem Fachanwaltsbezug bearbeitet. Das Wörtchen „soweit“ signalisiert dabei, dass eine Teilanrechnung der Mediationsausbildung in Betracht kommt. Entfallen beispielsweise 15 von 120 Ausbildungsstunden auf zwei erbrechtliche Fälle, kann die Ausbildung in diesem Umfang als Fortbildung für den Fachanwalt im Erbrecht gelten.
Was sagen die Kommentare zu § 15 FAO?
Dieses Verständnis von § 15 FAO findet sich auch in den einschlägigen Kommentaren zum anwaltlichen Berufsrecht. Hartmut Scharmer betont dabei im BORA/FAO-Kommentar von Harter/Scharmung (8. Aufl. 2022), dass das erst 2015 eingefügte Adjektiv „fachspezifisch“ keine zusätzliche Hürde darstellen soll; es genüge, wenn „der Seminargegenstand inhaltlich fachspezifisch“ ist (§ 15 FAO Rn. 34 und 40). Pro futuro wäre sogar eine weitergehende Anerkennung einer Mediationsausbildung denkbar, wenn man berücksichtigt, dass der Nutzen einer Fortbildung regelmäßig in der Transferleistung der Veranstaltungsteilnehmer besteht. Immerhin wird jede an einer Mediationsausbildung teilnehmende Anwältin die erlernten Mediationsfähigkeiten automatisch in ihre Erfahrungen einordnen und ihre fachspezifischen Fähigkeiten damit weiterentwickeln. Eine ähnlich großzügige Auslegung von § 15 FAO findet sich etwa bei Susanne Offermann-Burckart im BRAO-Kommentar von Henssler/Prütting (5. Aufl. 2019): Sie verlangt zwar ebenfalls einen nachvollziehbaren Bezug zu der geführten Fachanwaltschaft, hält es dabei aber ausdrücklich für zulässig, wenn ein Steuerrechtler ein Seminar zum Insolvenzrecht oder ein Insolvenzrechtler eine Steuerrechts-Tagung besucht (§ 15 FAO Rn. 43).
Vorab-Bestätigung durch die Kammer möglich
Das letzte Wort bei der Anrechnung von Fachanwalts-Fortbildungen hat in der Praxis die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer. Dort ist die o.g. Rechtsprechung in der Regel auch bekannt. Die Bestätigung der Anrechnung erfolgt häufig erst nachlaufend nach Einreichung der entsprechenden Fortbildungsnachweise. Zu einer Vorab-Bestätigung sind die Kammern nach dem o.g. BGH-Urteil nicht verpflichtet. Eine Anfrage bei der Kammer kann sich trotzdem empfehlen, denn bisweilen sind die Kammern doch zu einer formlosen Auskunft bereit, um Planungssicherheit zu ermöglichen.