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Im Juli 2014 haben die Vereinigten Staaten von Amerika einer Arbeitsgruppe der United Nations Commission on International Trade Law (UNCITRAL) einen Vorschlag für ein New Yorker Übereinkommen zur Vollstreckung von internationalen Mediations- und Schlichtungsvergleichen in handelsrechtlichen Streitigkeiten unterbreitet.

Blaupause: New Yorker Übereinkommen im Schiedsrecht

Hintergrund des Vorschlags sind die positiven Erfahrungen mit dem 1959 in Kraft getretenen New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche. Diesem Abkommen sind inzwischen 154 Staaten beigetreten; damit sind Schiedssprüche heute fast weltweit anerkennungsfähig und vollstreckbar, ohne dass es dafür einer zusätzlichen gerichtlichen Entscheidung bedürfte. Um diese vereinfachte Durchsetzbarkeit auch für Vergleiche aus Mediations- oder Schiedsverfahren zu ermöglichen, soll es nun eine zweite New York Convention geben. Anfang Februar 2015 hat sich eine Arbeitsgruppe der UNCITRAL mit dem US-amerikanischen Vorschlag befasst. Dabei wurde eine Reihe von Bedenken artikuliert, die in ähnlicher Weise auch in einer aktuellen Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (pdf) geäußert worden sind.

Anerkennung und Vollstreckung ohne juristische Kontrolle?

Der Kerneinwand gegen die Schaffung einer zweiten New York Convention betrifft die Einbindung juristischer Expertise beim Entstehen eines Titels. Während in einem Schiedsverfahren die Schiedsrichter Gewähr für eine rechtssichere und vollstreckbare Abfassung des Schiedsspruchs böten, sei dies bei Mediationen und Schlichtungen grundlegend anders. Es fehle bereits an einer international einheitlichen Definition der Mediation. Weiter agierten häufig mit guten Gründen auch Nichtjuristen als Mediatoren, die naturgemäß keine juristischen Kenntnisse zur Abfassung eines Vergleichs beisteuern könnten. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass beim Entstehen des deutschen Mediationsgesetzes die Idee eines vollstreckbaren Mediationsvergleiches (§ 796d ZPO-E) aus eben diesem Grunde wieder verworfen wurde. Andere Stimmen fragen noch grundlegender, ob es in der Praxis bei internationalen Mediationsverfahren überhaupt Probleme mit der Vollstreckung von Vergleichen gebe, da doch konsensuale Verfahrensergebnisse in der Regel einer Vollstreckung gerade nicht bedürfen.

Mindestanforderungen für ein New Yorker Übereinkommen II

Sollte es trotz dieser Bedenken zu einem New Yorker Übereinkommen für Mediations- und Schlichtungsvergleiche kommen, spricht sich die BRAK dafür aus, den Kreis der danach vollstreckungsfähigen Vergleiche nicht zu weit zu ziehen. Es sei sicherzustellen, dass im Mediations- oder Schlichtungsverfahren grundlegende Verfahrensprinzipien eingehalten wurden. Ferner sollte das Abkommen nur für Vergleichsverträge gelten, die eine Seite zu einer Geldzahlung verpflichten, und sollte darüber hinaus auf den b2b-Kontext beschränkt werden.

Die UNCITRAL wird sich bei einer Sitzung in Wien im Herbst 2015 erneut mit dem Konventionsvorschlag befassen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der Vorschlag dann bereits endgültig verworfen wird. Sollten die Pläne hingegen weiter verfolgt werden, wäre mit einem neuen New Yorker Übereinkommen wohl erst im nächsten Jahrzehnt zu rechnen.

In einem Beitrag für die aktuelle Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ 2014, 265-274) setzt sich der Frankfurter Rechtsanwalt Professor Dr. Jörg Risse kritisch mit Stimmen aus der Presse auseinander, die in der Nutzung von Schiedsverfahren zur Lösung von Wirtschaftskonflikten eine Abkehr vom Rechtsstaat sehen. So hatten etwa die Wirtschaftswoche, die ZEIT und die Frankfurter Rundschau Beiträge veröffentlicht, die insbesondere die internationale Investitionsschiedsbarkeit in ein fragwürdiges Licht rückten. Risse nennt diese Kritik populistisch und verweist darauf, dass sich die Seriosität des Schiedsverfahrens durch harte Fakten belegen lasse. Arbitration-Bashing sei unberechtigt und müsse gerade unter Schiedsrechtlern entschiedenen Widerspruch finden.

Risse: Schiedsverfahren sichern Investorenrechte

Kumulationspunkt der neueren Kritik an der Schiedsgerichtsbarkeit ist der Fall Vattenfall AB gegen die Bundesrepublik Deutschland, in dem das schwedische Energieunternehmen Vattenfall 4,7 Mrd. € Entschädigung wegen der verfrühten Stilllegung seiner Atomkraftwerke in Deutschland verlangt. Risse skizziert, dass es eine weit verbreitete Befürchtung gebe, Schiedsurteile von dieser Tragweite zu Lasten einzelner Staaten unterminierten demokratisch legitimierte Entscheidungen (wie diejenige des Atomausstiegs). Allerdings seien diese Befürchtungen unbegründet, denn zum einen gebe es keinerlei empirischen Beleg für einen übermäßigen Investorenschutz durch Schiedsgerichte und zum anderen stünden Schiedssprüche stets unter dem Vorbehalt des ordre public, insofern habe die staatliche Justiz zumindest in extremen Fällen durchaus noch das letzte Wort. Gleichzeitig sei ein erhebliches Bedürfnis für die Tätigkeit gerade von Investitionsschiedsgerichten festzustellen, denn häufig gebe es keine andere Möglichkeit, Staaten in die Verantwortung zu nehmen. Das verdeutliche etwa das Beispiel eines deutschen Investors in Turkmenistan, der nur durch die Vollziehung eines Schiedsspruchs der ICSID zu seinem Recht kam. Freilich könne man darüber diskutieren, durch eine entsprechende Gestaltung der bilateralen Investitionsschutzabkommen dafür zu sorgen, dass geänderte Umweltschutz- und Verbraucherschutzgesetze nicht als Eingriff in Investorenrechte gälten. Damit schwände indes auch die Attraktivität eines Investitionsstandorts, die durch die bilateralen Abkommen gerade gestärkt werden soll.

Volenti non fit iniuria

Als weiteren Aspekt, der auch außerhalb der Investitionsschiedsbarkeit von zentraler Bedeutung sei, nennt Risse die freie Verfahrenswahl der Streitparteien. Gemäß dem Grundsatz des „volenti non fit iniuria“ dürfe der Staat seinen Bürgern seine Justiz – von einigen Ausnahmen abgesehen – nicht aufdrängen, sondern müsse ihre Entscheidung respektieren, wenn sie sich privat und vertraulich einigen wollten. Das sei auch überhaupt nichts Neues, schließlich stelle die Schiedsgerichtsbarkeit keinen modernen Trend dar, sondern sei schon seit über hundert Jahren in der deutschen Zivilprozessordnung verankert. Der Gesetzgeber habe zuletzt mit dem Mediationsgesetz gezeigt, dass er eine vertrauliche Einigung der Streitparteien positiv bewerte. Das gelte zwar nur begrenzt für Rechtsstreitigkeiten mit staatlicher Beteiligung wie etwa Investitionsschutzsachen, hier allerdings gebe es wie in der gesamten Schiedsgerichtsbarkeit durchaus einen Trend zu mehr Transparenz (so auch schon das Petitum von Moritz Renner im Interview mit dem LTO). Die Sorge vor geheimen Absprachen zu Lasten der Allgemeinheit sei insofern völlig unbegründet.

Schiedsverfahren als Konkurrenz für die staatliche Justiz?

Risse zufolge befriedigen Schiedsverfahren insofern ein berechtigtes Bedürfnis nach einer Streitbeilegung ohne staatliche Intervention. Gleichzeitig könne die staatliche Justiz durchaus hie und da von der Schiedsgerichtsbarkeit lernen, etwa durch Einführung von Englisch als möglicher Verfahrenssprache oder durch eine bessere IT-Ausstattung, wie sie von Schiedsgerichten heute schon routinemäßig verwendet wird. Unbegründet sei auch die Sorge vor einer Entwertung der staatlichen Gerichte, unangemessen der Vorwurf, Schiedsgerichte minderten das Gebührenaufkommen der staatlichen Gerichtsbarkeit. Ein in der Tat diskutables, aber viel zu wenig diskutiertes Problem liege wiederum in der Tatsache, dass Konflikte mancher Rechtsbereiche heute kaum mehr zu den Gerichten gelangten und dadurch die Orientierungsfunktion der Rechtsprechung leide. Umso wichtiger sei die Veröffentlichung von Schiedssprüchen; hier nehme etwa die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) durchaus eine Vorbildfunktion ein.

Der Beitrag von Professor Risse findet sich in Heft 6 der SchiedsVZ 2014 (S. 265-274). Er ist ebenfalls abrufbar über das Portal beck-online.