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Ab Anfang August 2022 dürfen Mediatoren enger mit Anwälten zusammenarbeiten, als das bisher der Fall war. Der Gesetzgeber rückt verschiedene Dienstleistungsberufe näher zusammen und erleichtert damit die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Rechtsstreitigkeiten. Worum geht es und was ist zukünftig erlaubt?

Bisher nur lose Kooperationen erlaubt

Das bis Ende Juli 2022 geltende anwaltliche Berufsrecht zieht eine scharfe Linie zwischen Anwälten einerseits und Mediatoren andererseits. Die berufliche Zusammenarbeit einer Anwältin und einer Mediatorin in einem gemeinsam geführten Beratungsunternehmen ist nach § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO nicht möglich, sofern die Mediatorin nicht aus dem engen Kreis der sog. sozietätsfähigen Berufe (insb. Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) stammt. Und selbst die interprofessionelle Zusammenarbeit ohne wirtschaftliche Verbindung in Form einer sog. bloßen Bürogemeinschaft ist Anwälten und Mediatoren bisher verwehrt.

Bald möglich: Bürogemeinschaften zwischen Anwälten und Mediatoren

Das ändert sich allerdings mit dem 1. August 2022 mit dem Inkrafttreten des neuen § 59q Abs. 2 S. 1 BGB:

„Eine Bürogemeinschaft können Rechtsanwälte auch mit Personen eingehen, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, es sei denn, die Verbindung ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar und kann das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden.“

Der Gesetzgeber sieht die anwaltliche Verschwiegenheit nunmehr durch eine Bürogemeinschaft mit einer Mediatorin nicht mehr als gefährdet an. Nur bei Interessenkonflikten, die die Unabhängigkeit der Anwältin gefährden, soll diese Form der Zusammenarbeit im Einzelfall noch unzulässig sein.

Aber: Partnerschaft nur mit freiberuflichen Mediatoren

Damit ist freilich nicht gesagt, dass Mediatoren und Rechtsanwälte auch eine interprofessionelle Kanzlei eröffnen können. Eine solche unternehmerische Verbindung ist zwar nicht mehr per se ausgeschlossen, steht aber nach dem neugefassten § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRAO unter dem Vorbehalt, dass der Mediator einen freien Beruf im Sinne von § 1 Abs. 1 PartGG ausübt. Dort heißt es:

Die Freien Berufe haben im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Ausübung eines Freien Berufs im Sinne dieses Gesetzes ist die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.“

Ob die hier vom Gesetz vorgenommene Einteilung in Dienstleistungen niederer und höherer Art heute noch zeitgemäß ist, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Für Mediatorinnen, die einen Hauptberuf ausüben, der in der Aufzählung von § 1 Abs. 2 PartGG nicht enthalten ist, bleibt allerdings einige Rechtsunsicherheit. Sie müssen sich im Zweifel darauf berufen, dass die Mediatorentätigkeit selbst einen freien Beruf darstellt. Das ist zwar der Sache nach gut begründbar, der Gesetzgeber hätte es den Mediatoren freilich auch einfacher machen können, wenn er sie einfach in die beispielhafte Aufzählung freier Berufe übernommen hätte.

Weiterführender Literaturhinweis: Marcus Bauckmann, AnwBl Online 2021, 292-296, frei verfügbar im Open Access

Welche Rolle spielt die Mediation in der anwaltlichen Rechtsberatung? Der Berliner Rechtsanwalt und Mediator Michael Plassmann erläutert in der Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM 2017, 208-212), wie sich eine Rechtsberatung zu den in Betracht kommenden Konfliktlösungsverfahren zielführend ausgestalten lässt.

Mediation in der Rechtsberatung: Dreiklang aus Haltung, Vertrauen und Bereitschaft

Plassmann geht mit guten Gründen davon aus, dass ein konsensorientiertes Verfahren wie die Mediation die Interessen des Mandanten regelmäßig besser befriedigen wird als eine rein konfrontative Strategie. Um die Chance auf diesen Konsens zu erhalten, gelte es drei Weichen richtig zu stellen. Wichtig sei zunächst die Haltung des Anwalts zum Verfahren. Eine Mandantin, deren Anwältin selbst am Nutzen einer Mediation zweifelt, wird sich kaum auf ein Mediationsverfahren einlassen. Darüber hinaus ist es Plassmann zufolge von großer Bedeutung, dass der Anwalt Vertrauen in den Mediator hat. Denn ohne dieses Vertrauen tut man sich schwer, einen Teil der Prozessverantwortung auf den Mediator zu delegieren. Und schließlich braucht es auch die Bereitschaft der Mandantschaft, an den Mediationsverhandlungen konstruktiv und ergebnisoffen mitzuwirken. Sind diese drei Voraussetzungen erfüllt, stehen die Chancen für eine konstruktive Einigung gut.

Mediation darf keine Blackbox sein

Für beratende Anwälte bedeutet das: Um das Für und Wider eines Mediationsversuchs beurteilen und der Mandantschaft einen entsprechenden Rat geben zu können, sollten Rechtsanwälte wissen, was sie in einer Mediation erwartet. Man wird nicht verlangen können, dass jeder Anwalt eine Mediationsausbildung absolviert. Aber gewisse Grundkenntnisse im interessenorientierten Verhandeln sind doch nützlich, um Verfahrensalternativen überhaupt ernsthaft erwägen zu können. Mit den Worten von Plassmann:

„Die differenzierte Beratung ist – fern aller Digitalisierungstendenzen – das Gut der Anwaltschaft. Eine kompetent am Recht und den Interessen der Mandantschaft orientierte Dienstleistung ist das von anderen Berufsgruppen nicht zu schlagende Premiumprodukt der Anwaltschaft.“

Dabei beginnt die Rechtsberatung idealerweise schon bei der Vertragsgestaltung. Häufig verbindet die Vertragsparteien bereits hier ein gemeinsames Interesse daran, später auftretende Konflikte möglichst konstruktiv zu lösen. Es empfiehlt sich daher regelmäßig, Mediationsklauseln in den Vertrag aufzunehmen.

Die Mediation und das liebe Geld

Wie lässt sich eine gewisse Offenheit gegenüber konsensorientierten Konfliktlösungsverfahren womöglich auch durch Kostenanreize erreichen? An dieser Stelle schlägt Plassmann vor, die Öffnungsklauseln des § 69b GKG und des § 61a FamGKG ins Bundesrecht zu übernehmen. Weiter sei erwägenswert, die Gerichtsgebühren dort zu ermäßigen, wo die Parteien zuvor eine Mediation versucht haben. Die Ratio dahinter: In diesen Fällen kann man sich vergleichsweise sicher sein, dass die Parteien nicht vorschnell geklagt haben und es wirklich eine richterliche Entscheidung braucht. Schließlich rechtfertige die Mitwirkung von Anwälten in einer Mediationsverhandlung auch die Festlegung einer gesetzlichen Gebühr in Nr. 2303 VV RVG. Denn Anwälte sollten von der Empfehlung eines Mediationsverfahrens nicht dadurch abgehalten werden, dass ihre Tätigkeit dort nicht angemessen entlohnt wird.

Literaturtipp zum Thema Rechtsberatung und Mediation:
Anton Kiendl, Alternative Streitbeilegung und anwaltliche Verpflichtung zur Verfahrenswahlberatung, Verlag Dr. Kovač, 2017, € 98,80 im Buchhandel

Ein aktuelles BGH-Urteil lässt aufhorchen: Welchen Haftungsgefahren sind Mediatoren ausgesetzt? Kann sich ein Mediator schadensersatzpflichtig machen, wenn er bei der Mediation handwerkliche Fehler macht? Müssen sich Mediatoren womöglich zukünftig gegen Haftungsrisiken versichern? Ein näherer Blick auf die neueste Rechtsprechung des BGH zeigt, dass diese Sorge unbegründet ist.

Anwaltliche Gütestelle soll Scheidungsfolgenvereinbarung entwerfen

Der vom BGH zu entscheidende Fall (Urteil vom 21. September 2017, IX ZR 34/17, Volltext) betraf ein scheidungswilliges Ehepaar. Um Anwaltskosten zu sparen, hatten die Eheleute eine als Gütestelle zugelassene Rechtsanwältin damit beauftragt, eine faire Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen. Solche Vereinbarungen konkretisieren zum Beispiel den Ausgleich von Einkommen oder Rentenanwartschaften. Wenn etwa ein Ehegatte während der Ehe deutlich mehr als der andere verdient hat, sind die damit verbundenen Vorteile im Zweifel bei Scheidung der Ehe auszugleichen. Man spricht mit Blick auf das Einkommen vom Zugewinnausgleich und mit Blick auf Renten- oder anderweitige Versorgungsansprüche vom Versorgungsausgleich.

Einseitige Benachteiligung der Ehefrau

Im BGH-Fall hätte der Ehefrau einen Versorgungsausgleichsanspruch von knapp 100.000 € zugestanden. Die zugezogene Rechtsanwältin traf hierzu allerdings nur ungenügende Feststellungen und schlug daher einen gänzlichen Verzicht der Ehefrau auf den Versorgungsausgleich vor. Der später für das Scheidungsverfahren selbst auf Seiten der Ehefrau hinzugezogene Rechtsanwalt korrigierte diesen Fehler nicht mehr, so dass der Verzicht letztlich wirksam wurde. Die Ehefrau forderte die so verlorenen Ansprüche nunmehr von ihrem Rechtsanwalt als Schadensersatz ein; dieser nahm daraufhin die vorgerichtlich tätige Rechtsanwältin in Regress. Der BGH ließ den Anwalt gegenüber der Ehefrau haften, gab diesem aber einen Regressanspruch gegen die mit der Vorbereitung der Vereinbarung befasste Anwaltskollegin. Diese habe die Pflicht übernommen, eine der Rechtslage entsprechende Scheidungsfolgenvereinbarung zu entwerfen. Diese Pflicht habe sie verletzt, indem sie mangels sorgfältiger Prüfung des Sachverhalts die Ehefrau einseitig benachteiligt habe. Insofern sei sie zum Schadensersatz verpflichtet.

BGH-Fall lag keine echte Mediation zugrunde

So weit, so gut und nachvollziehbar. Für Mediatoren Bedeutung erlangt der Fall nun dadurch, dass der BGH die Tätigkeit der als Gütestelle zugelassenen Rechtsanwältin als Mediation bezeichnete. Das war freilich unglücklich, denn im konkreten Fall handelte es sich gerade nicht um eine Mediation im Sinne von § 1 Abs. 1 MediationsG, weil die Eheleute die Scheidungsfolgenvereinbarung nicht eigenverantwortlich entwickelten, sondern von der Anwältin weitgehend vorgeben ließen. Genau genommen war die Anwältin als Rechtsberaterin beider Eheleute tätig – was nach § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA als Vertretung widerstreitender Interessen verboten und womöglich sogar als Parteiverrat strafbar nach § 356 StGB ist.

Wichtig für Mediatoren: Keine Rechtsberatung erteilen!

Für Mediatoren bedeutet der Fall des BGH: Eine Haftung auf Schadenersatz droht dann, wenn man den Parteien einen Rechtsrat erteilt. Es gelten die Grenzen der § 2 Abs. 3 Nr. 4 RDG und des § 2 Abs. 6 S. 2 MediationsG: Mediatoren dürfen durchaus auf bestimmte rechtliche Rahmenregeln wie die Rechtswirkungen eines Vergleichs nach § 779 BGB hinweisen. Sie dürfen aber nicht durch rechtliche Regelungsvorschläge in die Gespräche der Beteiligten eingreifen. Wenn die Parteien einen Rechtsrat benötigen, müssen Mediatoren sie darauf hinweisen, dass sie Rechtsanwälte hinzuziehen können. Mediatoren, die sich an diese Grundregel halten, haben mit Blick auf das neue BGH-Urteil keine Haftung zu befürchten.