Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat im November 2014 einen Referententwurf für ein neues Verbraucherstreitbeilegungsgesetz veröffentlicht (pdf). Mit diesem Gesetz will die Bundesregierung die Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten (AS-Richtlinie) aus dem vergangenen Jahr umsetzen.

Verbraucherschlichtung als erste Anlaufstelle für Verbraucherstreitigkeiten

Im Zentrum des Gesetzentwurfs zum Verbraucherstreitbeilegungsgesetz steht die Tätigkeit so genannter Verbraucherschlichtungsstellen. Diese Einrichtungen sollen künftig insbesondere für Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern systematisch verfügbar sein. Das Gesetz zielt vorrangig auf diejenigen Verbraucher, die nach Problemen beim Erwerb von Waren oder bei der Inanspruchnahme von Dienstleistungen gerne rechtlich gegen ein Unternehmen vorgehen würden, für die sich dies mit Blick auf den geringen Streitwert und die mit der Zuziehung eines Anwalts oder mit der Anrufung eines Gerichts verbundenen Kosten aber schlichtweg nicht lohnt. Hier soll zukünftig ein einfaches, meist kostenloses außergerichtliches Schlichtungsverfahren Abhilfe schaffen. Der Gesetzgeber hofft, dass Unternehmen erkennen, dass ein kundenorientiertes Beschwerdemanagement das Vertrauen der Verbraucher stärkt und den Konsum ankurbelt.

Rezeption des VSBG durch Unternehmen noch unklar

Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz nach seinem nun vorgelegten Entwurf nimmt der Gesetzgeber die Unternehmer in die Pflicht: Sie können sich zwar grundsätzlich frei entscheiden, ob sie am außergerichtlichen Schlichtungssystem teilnehmen. Wenn sie sich allerdings für die Verbraucherschlichtung entscheiden, müssen sie den Löwenanteil der Verfahrenskosten tragen und ihre Kunden in ihren AGB und auf ihrer Homepage auf die zuständige Schlichtungsstelle aufmerksam machen. Können Sie einen Konflikt mit einem Verbraucher nicht bilateral beilegen, müssen sie ihn von sich aus in Textform darauf aufmerksam machen, dass er eine Schlichtungsstelle anrufen kann. Während sich aktuell insbesondere große Unternehmen an den bereits existierenden brancheninternen Schlichtungsprojekten beteiligen, erscheint ungewiss, inwieweit diese ihre schlichtungsfreundliche Einstellung aufrecht erhalten werden, wenn sie die Verbraucher mit der Nase auf das kostenlose Schlichtungsverfahren stoßen müssen. Kleine und mittlere Unternehmen sind heute kaum an Schlichtungsverfahren beteiligt, so dass auch hier die Prognose schwer fällt, inwieweit sie sich von der Schlichtung Vorteile versprechen werden.

Verbraucherschlichtung und Ziviljustiz als Komplementäre?

Sollten sich Unternehmer in großer Zahl für die Verbraucherschlichtung nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz öffnen, könnte dies auch Folgen für die Bedeutung der Ziviljustiz haben. Zwar dürften es viele Verbraucher, die heute angesichts des mit einem Rechtsstreit verbundenen Aufwands den Kopf in den Sand stecken, zukünftig mit dem kostenlosen Schlichtungsverfahren versuchen. Diejenigen Verbraucher, die heute den Weg zur Justiz antreten, könnten davon aber durch die vom Verbraucherstreitbeilegungsgesetz initiierten Neuerungen abgebracht werden. Denn die Kostenfreiheit der Schlichtung ist ein starkes Argument, das viele Verbraucher beeindrucken wird. Sind sie dann im Schlichtungsverfahren nicht erfolgreich, werden sie aber kaum noch einen zweiten Versuch vor den staatlichen Gerichten wagen.

Weitere Beiträge von Horst Eidenmüller und Martin Engel finden sich in den Zeitschriften MMR (pdf), Anwaltsblatt (pdf), ZIP (zip-online), Ohio State Journal on Dispute Resolution (SSRN), in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (pdf) sowie auf Legal Tribune Online.

In seinem neuen Buch „Good for You, Great for Me“ beschäftigt sich der MIT-Professor Lawrence Susskind damit, wie man beim Verhandeln den Einigungsbereich konkretisieren und eine Win-Win-Verhandlung mit einem individuell vorteilhaften Ergebnis abschließen kann.

Win-Win-Lösungen lassen sich nur gemeinsam erarbeiten

Susskind zufolge kann man nur dann erfolgreich verhandeln, wenn man sich auch in einem hocheskalierten Konflikt bewusst macht, dass der Verhandlungspartner in seiner Selbstwahrnehmung sehr rational und vernünftig agiert. Hierfür könne es gerade bei einem Gegenüber mit anderer kultureller Prägung sehr hilfreich sein, dessen persönlichen Hintergrund vor Beginn der Verhandlungen zu studieren. Prallen in einer Verhandlung dennoch Überzeugungen aufeinander, so sei es umso wichtiger, den Verhandlungspartner seine Annahmen und Überzeugungen erklären zu lassen. Tatsachen, die für die Lösung des Konflikts bedeutsam sind, sollte nach Susskind nicht ein Verhandlungspartner dem anderen beibringen wollen, sondern sie müssten gemeinsam erarbeitet werden. Erscheint eine solche konstruktive Verhandlung etwa aufgrund einer Beziehungsstörung nicht möglich, so sei darüber nachzudenken, einen Vertreter auszuwählen, der in dieser Angelegenheit sachlich und zielführend kommunizieren kann.

Effektive Wertschöpfung braucht Improvisationstalent

Auf der Suche nach einer echten Win-Win-Lösung sollen sich Verhandler Susskind zufolge nicht mit einer einfachen Kompromisslösung zufrieden geben. Von zentraler Bedeutung sei es, „What-If-Fragen“ zu stellen, sich also zu überlegen, welche konkreten Folgen unterschiedliche Verhandlungsergebnisse für die Beteiligten hätten. Vor allem aber müsse ein guter Verhandler auch ein Meister der Improvisation sein: Wirklich gute Verhandlungsergebnisse erreiche, wer dem Anderen mit aufrichtigem Interesse aufmerksam zuhöre, flink und findig reagiere und sich während der Verhandlungen eine gewisse Flexibilität bewahre. Auch eine gewisse Fähigkeit dazu, den Verhandlungspartner positiv zu überraschen, könne die Qualität des Verhandlungsergebnisses signifikant steigern.

Mediation und Ausbildung in Konfliktlösungskompetenz

Am Ende seines Buches geht Susskind auch auf die große Bedeutung der Mediation als einer Methode der Verhandlungsunterstützung ein. Gerade komplizierte und komplexe Verhandlungen könnten sehr davon profitieren, wenn sie durch einen neutralen Dritten in der Rolle eines Moderators oder Mediators strukturiert und gesteuert würden. An dieser Stelle sei es von großer Bedeutung, den Weg zu einer konstruktiven Konfliktlösung frühzeitig zu ebnen. Das könne einerseits durch Vertragsklauseln geschehen, andererseits aber auch durch die konsequente Schulung und Ausbildung von Mitarbeitern mit Führungsverantwortung, um so gerade innerhalb von Betrieben systematisch Konfliktlösungskompetenz aufzubauen.

Das Buch von Lawrence Susskind ist im Fachhandel in englischer Sprache erhältlich. Eine deutsche Übersetzung ist gegenwärtig nicht verfügbar.

 

 

Das Institut für Ostrecht im Wissenschaftszentrum Ost- und Südosteuropa Regensburg (WiOS) veranstaltet am 18. und 19. November 2014 in München eine Konferenz über Alternative Streitbeilegung als lokaler Erfolgsfaktor im internationalen Wettbewerb. Als Mitveranstalter fungieren die IRZ-Stiftung in Bonn, das Institute for Legislation of the Verkhovna Rada of Ukraine, das Schiedsgericht der polnischen Handelskammer und die Deutsche Institution für Schiedsgerichtsbarkeit DIS. Professor Dr. Horst Eidenmüller von der LMU München wird auf der Veranstaltung eine Diskussion zur Mediation in Deutschland, Polen und der Ukraine moderieren.

Ab sofort ist die neue Homepage der Münchener Ausbildung zum Wirtschaftsmediator unter www.mediatorenausbildung.org online erreichbar. Informieren Sie sich auf diesen Seiten über die kommende Ausbildung im Herbst/Winter 2015, über die Menschen hinter dem Ausbildungskonzept und über Fragen der Zertifizierung von Mediatoren. Folgen Sie unserem Blog mit aktuellen Neuigkeiten aus der Welt der alternativen Streitbeilegung. Herzlich willkommen!