Die so genannte Caucus-Mediation ist eine Spielart der Mediation, die vor allem in den USA praktiziert wird. Im Unterschied zur in Kontinentaleuropa vorherrschenden Mediationspraxis besteht eine Caucus-Mediation vornehmlich aus Einzelgesprächen: Der Mediator vermittelt als Shuttle zwischen beiden Parteien. In einem aktuellen Beitrag für die Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) befasst sich Horst Eidenmüller mit der Frage, was einen Caucus charakterisiert und ob darin eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes zu sehen ist.

Ablauf einer Caucus-Mediation

Der Ablauf einer Caucus-Mediation weicht üblicherweise zumindest teilweise vom Ablauf einer klassischen Mediation nach dem 5-Phasenschema ab. Das Verfahren beginnt mit einem Eröffnungsstatement des Mediators, das häufig noch im Plenum, d.h. unter Anwesenheit beider Parteien, stattfindet. Anschließend legen die Parteien regelmäßig in einem sog. opening statement kurz ihre jeweilige Sicht der Dinge dar. Danach trennen sich die Wege beider Seiten. Der Mediator pendelt dann als Vermittler zwischen beiden Parteien hin und her. Er macht Gebrauch von Fragetechniken, um mehr über die Verhandlungsbereitschaft der Beteiligten zu erfahren und sie zur Reflektion über mögliche Lösungen anzuregen. Er kann abhängig von der Definition seiner Rolle durch die Parteien das Augenmerk auf die Interessen der Beteiligten lenken, kann sich aber auch auf eine Moderation rein distributiver Verhandlungen beschränken. Ob die Gespräche vertraulich sind, ist ebenfalls der Gestaltungsfreiheit der Beteiligten anheim gegeben. Die Verhandlungen münden im Idealfall in eine Einigung der Parteien; wie auch bei der klassischen kontintenaleuropäischen Mediation kommt es aber auch regelmäßig vor, dass man streitig auseinandergeht.

Vorteile und Nachteile der Caucus-Mediation

Nach der Darstellung des Ablaufs einer Caucus-Mediation geht Eidenmüller auf die wichtigsten Vor- und Nachteile dieses Verfahrens ein. Ein häufiger Kritikpunkt lautet Eidenmüller zufolge, dass die Interessen der Parteien im Caucus zu kurz kämen. Das Verfahren sei – so die Skeptiker – kaum mehr als ein „strukturierter Basar“; an echtes gegenseitiges Verständnis oder eine Verbesserung einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung sei regelmäßig nicht zu denken. Dem setzt Eidenmüller entgegen, häufig sei eine Verbesserung der Beziehung nicht oberste Priorität bei der Konfliktlösung. Wenn es vorrangig einen bloßen Verteilungskonflikt zu lösen gelte, könne dies regelmäßig gut im Wege einer Shuttle-Mediation geschehen. Auch in emotionalen und hocheskalierten Streitigkeiten sei der Rückzug auf Einzelgespräche häufig die einzige realistische Möglichkeit, um einer Konfliktlösung näher zu kommen. Weiterhin sei es in internationalen Streitigkeiten nicht selten auch die Sprachbarriere, die eine klassische Plenums-Mediation verhindere. Ohne Frage stelle der Caucus allerdings eine besondere Herausforderung für den Mediator dar, weil die Parteien häufig versucht seien, ihn als Werkzeug einzusetzen und die Verhandlungen so zu manipulieren.

Caucus-Mediation als Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes

Am Ende seines Beitrags wendet sich Eidenmüller der Frage zu, ob die Caucus-Mediation eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes sei. Mit Blick darauf, dass das Mediationsgesetz von eigenverantwortlicher Kommunikation der Parteien spreche, werde dies bisweilen in Zweifel gezogen (so etwa Greger für den Fall, dass die Beteiligten eine Plenumssitzung von vornherein ausschließen; ZKM 2015, 172 f.). Dem hält Eidenmüller entgegen, zum einen zähle § 1 Abs. 1 MediationsG das Verhandlungsplenum nicht zum zwingenden Kern der Charakteristika einer Mediation, und zum anderen erlaube auch § 2 Abs. 3 MediationsG ausdrücklich Einzelgespräche der Parteien. Der Gesetzgeber habe den Mediationsbegriff bewusst für die Gestaltung durch die Beteiligten offen gehalten. Auch eine Caucus-Mediation sei insofern als Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes zu begreifen.

Der Beitrag von Eidenmüller ist der langjährigen Chefredakteurin der ZIP, Katherine Knauth, gewidmet. Er ist in der Beilage zu Heft 22/2016, S. 18-20, erschienen und auf der Webseite der ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht abrufbar.

Seit 2011 regelt Art. 218 der Schweizerischen Zivilprozessordnung einen Anspruch auf Mediationskostenhilfe, der insbesondere bei kindesrechtlichen Angelegenheiten nicht vermögensrechtlicher Art gewährt wird. Nunmehr kommt auch in Deutschland Bewegung in das Thema.

Mediationskostenhilfe: Neues Projekt in Berlin

Für die gerichtsinterne Mediation ist eine staatliche Kostenhilfe bereits frühzeitig aus der Sozialverantwortung des Staates nach Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitet worden (so etwa von Spindler, Abschlussbericht Gerichtsnahe Mediation in Niedersachsen, 2006, Rn. 165, 312, 371, 638). Für die gerichtsnahe Mediation lässt sich ein Anspruch auf Kostenhilfe aus Art. 47 Abs. 3 der europäischen Grundrechtecharta ableiten, wenn sie vom Gericht angeordnet wurde (so Rakete-Dombek, NJW 2007, 3162, 3163 f.), andernfalls fehlt es dafür an einer Rechtsgrundlage (so Spangenberg zu OLG Köln v. 3. Juni 2011, 25 U 24/10, ZKM 2012, 29). Für die außergerichtliche Mediation hat die Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation (BAFM) bereits 2006 ein Gesetz über die Kostenhilfe in Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung vorgeschlagen (pdf). Im Frühjahr 2016 wurde nun bekannt, dass das Land Berlin erstmals in 2016 und 2017 insgesamt € 200.000 für ein Pilotprojekt zur Mediationskostenhilfe in Familienstreitigkeiten zur Verfügung stellt. Die so genannte Berliner Initiative für Geförderte Familienmediation (BIGFAM) wird von zwei Berliner Mediationsvereinen getragen.

Mediationskostenhilfe: Das spricht dafür

Mit dem Modellprojekt kommt Berlin als erstes Bundesland einer bereits seit vielen Jahren geäußerten Forderung nach, die Mediation müsse durch staatliche Mittel finanziell gefördert werden, um für Streitparteien ausreichend attraktiv zu sein. Eine konsensuale Konfliktlösung sei gegenüber einem streitigen Urteil vorzugswürdig, deswegen müsse der Gesetzgeber die Anreize für die Mediation entsprechend günstig gestalten  (ähnlich etwa Proksch, ZKM 2011, 173, 176 f., und ZKM 2010, 39, 42 f. sowie Mähler, ZKM 2003, 73, 76). Nicht selten findet sich auch das Argument, mit einer Förderung der Mediation ließen sich Steuergelder sparen (siehe etwa Wagner, ZKM 2010, 172, 176); dies gilt insbesondere in familienrechtlichen Verfahren, die häufig ohnehin über die Prozesskostenhilfe vom Staat finanziert werden.

Mediationskostenhilfe: Das spricht dagegen

Auf der anderen Seite gibt es auch Stimmen, die beim Thema Mediationskostenhilfe zur Vorsicht mahnen. Dabei lautet etwa ein Argument, dass Streitparteien nur dann konstruktiv handeln würden, wenn sie das Verfahren selbst finanzieren, eine Kostenhilfe sei insofern womöglich sogar kontraproduktiv (so etwa Goll, ZKM 2002, 144, 145). Weiter wird die Befürchtung geäußert, eine Mediationskostenhilfe könne den Zugang zum streitigen Verfahren erschweren (Duve, in: Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 53/08, S. 5). Schließlich gibt es die Sorge, die Voraussetzungen einer Mediationskostenhilfe müssten womöglich so niederschwellig formuliert werden, dass die damit verbundenen Ausgaben sogleich unüberschaubar groß werden könnten. Um diese Problematik in den Griff zu bekommen, könnte die Mediationskostenhilfe als Anschubfinanzierung nach niederländischem Vorbild ausgestaltet werden (Hopt/Steffek, Mediation, S. 29 f.; Steffek, 74 RabelsZ 2010, 848 (870 f.) m.w.N.). Freilich erscheint fraglich, ob sich ein nennenswerter Anteil der Mediationsparteien nach Auslaufen der Anschubfinanzierung zur selbstfinanzierten Fortsetzung des Verfahrens entschlösse.

Mediationskostenhilfe bis auf Weiteres nicht auf der Agenda des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber wird eine staatliche Mediationskostenhilfe voraussichtlich weder in der aktuellen noch in der folgenden Legislaturperiode installieren. Sollte sich das Thema mittelfristig auf der rechtspolitischen Agenda wiederfinden, dürfte eine Mediationskostenhilfe am ehesten in das Verfahren in Familiensachen Eingang finden. Der Gesetzgeber könnte hier insbesondere erproben, ob eine Mediationskostenhilfe neben einer Befriedung der Parteien auch zu einer Entlastung der Justiz führen kann. In diesem Fall wäre auch die Einführung entsprechender Regeln für arbeitsrechtliche Konflikte denkbar. Für die Wirtschaftsmediation im engeren Sinne ist eine staatliche Mediationskostenhilfe bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Die unternehmerische Kalkulation spricht hier auch ohne eine staatliche Subvention in vielen Fällen dafür, die Mediation dem streitigen Verfahren vorzuziehen (weiterführend Engel, in: Eidenmüller/Wagner, Mediationsrecht, 2015, Kap. 10 Rn. 73 ff.).

Anfang 2016 ist das vom Verlag C. H. Beck verlegte Handbuch Mediation  in der dritten Auflage neu erschienen. Die Herausgeber Fritjof Haft und Katharina Gräfin von Schlieffen versammeln darin vielfältige Beiträge zur Mediation aus der Perspektive verschiedener Fachrichtungen und mit Blick auf ihren Einsatz in unterschiedlichen Konflikttypen.

Neue Themen im Handbuch Mediation

Für viele Praxisbereiche der Mediation bietet das Handbuch einen guten ersten Überblick. So beleuchten einzelne Beiträge etwa die Mediation im Erbrecht, im Arbeitsrecht, im privaten Baurecht wie auch im gewerblichen Rechtsschutz. Vor allem aber taugt das Handbuch Mediation als Nachschlagewerk zu Einzelthemen der Mediation für denjenigen, der sich in Wissenschaft und Praxis vertieft damit beschäftigen möchte. Gegenüber der Vorauflage aus dem Jahr 2009 wurde das Handbuch teilweise umstrukturiert, aktualisiert und um eine Reihe neuer Beiträge ergänzt. Dabei ist das Buch noch einmal auf inzwischen knapp 1.500 Seiten angewachsen. Neu in der dritten Auflage sind etwa der historische Überblick über Entwicklung und Stand der Mediation (§ 2), der Beitrag über Shuttle-Mediation (§ 21) sowie ein Abschnitt zur Mediation aus Sicht der Rechtsschutzversicherer (§ 57). Auch der Blick in andere Länder wird um neue Perspektiven angereichert; so finden sich im aktuellen Handbuch Mediation nun auch Beiträge zur Mediation in Portugal, in Österreich, in Großbritannien und in Frankreich. Schließlich widmet das Handbuch Mediation neuerdings auch dem Thema Qualitätssicherung ein eigenes Kapitel und erörtert dort Fragen rund um die Aus- und Fortbildung sowie die Zertifizierung von Mediatoren.

Weitere aktuelle Mediationsliteratur

Das Handbuch Mediation ist im Buchhandel wie auch im Online-Versand des Beck-Verlags erhältlich. Es reiht sich ein in eine Vielzahl aktueller Werke, die den Stand der Mediation in Deutschland beleuchten. Im Jahr 2015 ist im Otto-Schmidt-Verlag das Buch Mediationsrecht von Eidenmüller/Wagner erschienen, das im Vergleich zum hier besprochenen Werk vor allem die juristische Perspektive einnimmt und dabei auch die Vorschriften des Mediationsgesetzes kommentiert. Andere bewährte Kommentare zum Mediationsgesetz sind unter der Federführung von Greger/Unberath/Steffek (Neuauflage angekündigt für Juli 2016) und von Klowait/Gläßer entstanden. Wer stattdessen auf der Suche nach einem gut lesbaren Buch zur Einführung in die Wirtschaftsmediation ist, sollte einen Blick auf das Standardwerk von Duve/Eidenmüller/Hacke oder in die für Ende 2016 geplante Neuauflage des Buchs von Risse werfen.

Seit über sechs Jahren ist das Familienverfahrensgesetz (FamFG) in Kraft. In diesem Gesetz sind besondere gerichtliche Prozessregeln unter anderem für Familienangelegenheiten geregelt. Dabei sieht der Gesetzgeber erstmals vor, dass die Beteiligten unter bestimmten Umständen an einem Informationsgespräch über Mediation teilnehmen sollen. Inwieweit müssen sich die Betroffenen darauf einlassen, und in welchem Maße hat sich das Informationsgespräch über Mediation in der Praxis bereits durchgesetzt?

Informationsgespräch über Mediation kann richterlich angeordnet werden

Mit guten Gründen sieht der Gesetzgeber Familiensachen als besonders mediationsgeeignet an. Dennoch will er die Beteiligten nicht zu einer Mediation verpflichten, sondern wählt einen zurückhaltenderen Ansatz: Nach §§ 135 S. 1 und 156 Abs. 1 S. 3 FamFG kann das Gericht in bestimmten Fällen anordnen, dass die Betroffenen einzeln oder gemeinsam an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung teilnehmen und anschließend eine Bestätigung dazu vorlegen. Auf diese Weise will man erreichen, dass sich die Parteien zumindest einmal ernsthaft die Frage gestellt haben, ob eine Mediation für sie einen gangbaren und womöglich besseren Weg darstellt. Verweigern sich die Parteien trotz richterlicher Anordnung dem Informationsgespräch über Mediation, kann das nach §§ 80 Abs. 2 Nr. 5, 150 Abs. 4 S. 2 FamFG dazu führen, dass das Gericht ihnen am Ende die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Informationsgespräche in der Praxis

Es gibt gegenwärtig keine belastbaren Erkenntnisse dazu, wie häufig Gerichte den Beteiligten in Familiensachen aufgeben, an einem Informationsgespräch über Mediation teilzunehmen. Allerdings haben sich an vielen Amtsgerichten Anlaufstellen etabliert, die nach individueller Absprache oder an festen Terminen kostenfreie Informationsgespräche zur Mediation oder anderen Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung anbieten. Häufig geschieht dies unter Mitwirkung der örtlichen Anwaltvereine, gelegentlich treten auch Pro Familia, Anbieter einer Mediationsausbildung oder private Initiativen als Organisatoren auf. Teilweise werden die Informationsgespräche als Gruppengespräche geführt und finden dann in den Räumlichkeiten der Gerichte statt. Die Nachfrage nach den Angeboten ist sehr unterschiedlich; bisweilen wurden die angebotenen Termine auch wieder begrenzt, etwa wenn sich die örtliche Justiz mit Anordnungen nach §§ 135 S. 1 und 156 Abs. 1 S. 3 FamFG zurückhält.

Informationsgespräch über Mediation auch in anderen Rechtsbereichen?

Wird es mittelfristig auch in anderen Rechtsbereichen möglich sein, dass Richter den Parteien die Teilnahme an einem Informationsgespräch über Mediation verordnen? Das erscheint alles andere als ausgeschlossen. Zwar gibt es dafür aktuell keine Pläne des Gesetzgebers, allerdings wäre es etwa im Nachbarrecht wie auch im Wettbewerbsrecht oder im Erbrecht durchaus denkbar, ein entsprechendes Anordnungs- oder zumindest Vorschlagsrecht des Richters zu etablieren. Dafür spricht die Überlegung, dass viele Streitparteien in ein Klageverfahren geraten, ohne die Möglichkeit einer Mediation zuvor überhaupt geprüft zu haben. Dagegen spricht, dass sich die Justiz womöglich nicht ihrer Entscheidungsverantwortung entziehen sollte. Jedenfalls aber erscheint ein Informationsgespräch im Vergleich mit der obligatorischen Streitbeilegung als das mildere Mittel, das den Beteiligten die größere Freiheit belässt (vgl. dazu zuletzt Eidenmüller, JZ 2015, 539-547).

Mediationsklauseln sind ein häufig unterschätzter Wegbereiter für den Einsatz der Mediation in wirtschaftsrechtlichen Konflikten. Der Kernpunkt: Auf eine Mediationsklausel einigt man sich vor der Entstehung einer Streitigkeit. Der Aufwand für die Einbindung einer Mediationsklausel in einen Vertrag ist daher denkbar gering, hat aber im Konfliktfall eine enorme Wirkung.

Mediationsklausel passt in jeden Vertrag

Mediationsklauseln lassen sich unproblematisch nahezu jedem Vertrag hinzufügen. Die Liste der Anwendungsfelder ist lang: Gesellschaftsverträge, Finanzierungsverträge, Unternehmenskaufverträge, Geschäftsführer-Anstellungsverträge, Bauverträge, Lizenzverträge, etc. Auch in Testamente und Erbverträge lassen sich Mediationsklauseln aufnehmen, wenn der Erblasser Wert auf eine einvernehmliche Auseinandersetzung des Nachlasses legt. Die Beteiligten sind dann im Streitfall verpflichtet, zunächst einen Mediationsversuch zu unternehmen, bevor sie ein Gericht oder ein Schidesgericht anrufen. Natürlich folgt daraus kein Zwang, sich zu einigen: Theoretisch kann ein Mediationsversuch schon nach zehn Minuten als gescheitert abgehakt werden, ja die Parteien könnten im Konfliktfall sogar die in der Klausel angeordnete Mediationspflicht einvernehmlich wieder abbedingen. In der Praxis ist es allerdings häufig so, dass man es tatsächlich zunächst einmal mit einer Mediation versucht, wenn dieser Weg schon im Vertrag vorgezeichnet ist. Und sitzen die Beteiligten erst einmal am runden Tisch, liegt die Wahrscheinlichkeit bei ungefähr zwei Dritteln, dass sie die Mediation auch mit einem befriedigenden Ergebnis abschließen.

Muster für eine Mediationsklausel

Der Inhalt einer Mediationsklausel kann sich durchaus auf die knappe Selbstverpflichtung der Vertragsparteien beschränken, im Konfliktfall zunächst ein Mediationsverfahren zu starten. In der Sonderform einer Eskalationsklausel ist ein gestuftes Vorgehen vorgesehen, z.B. zunächst bilaterale Verhandlungen, dann eine Mediation, bei deren Scheitern ein Schiedsverfahren. Teilweise nehmen Mediationsklauseln Bezug auf die Verfahrensordnung einer Streitbeilegungsinstitution, um im Konfliktfall bereits ein Reglement für Organisation und Ablauf der Mediation parat zu haben. Gelegentlich findet sich in der Klausel auch ein Prozedere für die Benennung eines oder mehrerer Mediatoren vor – oder die Klausel nennt den Wunschmediator der Parteien gleich unmittelbar beim Namen. Ein Beispiel für eine einfache Mediationsklausel:

Die Parteien dieses Vertrages verpflichten sich, bei Streitigkeiten aus oder in Zusammenhang mit diesem Vertrag vor Anrufung eines Gerichts eine Mediation nach der DIS-Mediationsordnung 10 durchzuführen. Als Mediatoren kommen Ute Musterfrau und Peter Mustermann in Betracht. Eine Klage ist erst zulässig, wenn im Rahmen der Mediation ein Verhandlungstermin stattgefunden hat oder wenn seit dem Mediationsantrag einer Seite mehr als 60 Tage verstrichen sind.

Weiterführende Literatur

Der Blogbeitrag vom 9. Januar 2016 gibt einen ersten Überblick über die Zahlen des Statistischen Bundesamts zum Güterichterverfahren nach § 278 Abs. 5 ZPO, das im Jahr 2014 erstmals von der amtlichen Statistik erfasst wurde. Nunmehr stellen wir auf der Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamts eine ausführliche Güterichterstatistik zum kostenlosen Download (xlsx) zur Verfügung.

Erledigungsquote knapp 50%, Vergleichsquote knapp 30%

Die Güterichterstatistik zeigt: Die Amtsgerichte verweisen 1,5% ihrer Streitverfahren vor den Güterichter, vor den Landgerichten erfolgt der Verweis nach § 278 Abs. 5 ZPO in 2,3% der erstinstanzlichen Verfahren. Geringer ist die Verweisquote in landgerichtlichen Berufungsverfahren (0,6%) sowie vor den Oberlandesgerichten (0,9%). In knapp der Hälfte der Fälle führt die Verhandlung vor dem Güterichter zur Erledigung des Verfahrens. In knapp 30% der Fälle geschieht dies durch den Abschluss eines Vergleichs. Diese Zahlen variieren geringfügig zwischen den verschiedenen Gerichten; nennenswert ist allerdings die deutlich niedrigere Erledigungsquote in Berufungsverfahren vor dem Landgericht. Dass die Vergleichsquote erheblich hinter der Erledigungsquote zurückbleibt, könnte sich dadurch erklären, dass sich die Parteien womöglich bisweilen in der Güterichterverhandlung auf die Rücknahme der Klage oder ein Anerkenntnis einigen, ohne dass dies formal als Vergleich aufgenommen wird.

Güterichterstatistik: Geringfügig längere Verfahrensdauer

Die durchschnittliche Dauer erledigter Verfahren mit Güterichtertermin beträgt 7,8 Monate. Bemerkenswert ist, dass sich die Dauer von Zivilverfahren mit und ohne Einschaltung eines Güterichters nicht wesentlich unterscheidet. Vor Amtsgerichten dauern Verfahren, die an einen Güterichter verwiesen wurden, im Schnitt 1,5 Monate länger als sonstige Verfahren, vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht dauern sie durchschnittlich knapp drei Monate länger. Diese Verlängerung lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass die Verhandlungen vor dem Güterichter mit einigen Wochen Vorlauf terminiert werden und dadurch ein gewisser Zeitverlust entsteht (an einzelnen Gerichten wird allerdings zur Vermeidung einer Verzögerung sogleich ein alternativer Streittermin bestimmt). Die Zahlen zur Verfahrensdauer lassen demgegenüber keine Rückschlüsse darauf zu, dass vor allem langwierige Verfahren vor den Güterichter verwiesen werden, um die Akte schließen zu können. Es erscheint zwar nicht ausgeschlossen, dass der Verweis nach § 278 Abs. 5 ZPO insbesondere in komplexen Verfahren erfolgt, in diesem Fall jedoch würde der Effekt auf die Verfahrensdauer offenbar dadurch nivelliert, dass diese Verfahren früh als mediationsgeeignet erkannt und ggf. sogar noch vor einer streitigen Verhandlung ins Güterichterverfahren abgegeben würden.

Die ausführliche Güterichterstatistik steht hier zum kostenlosen Download (xlsx) zur Verfügung. Grundlage für die Statistik ist die Zahl aller in 2014 vor den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten erledigten Zivilverfahren.

Voraussichtlich am 1. April 2016 tritt das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft. In letzter Minute hat der Gesetzgeber darin eine Vorschrift zum zertifizierten Mediator aufgenommen. Gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG kann Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle nur sein, wer als Volljurist die Befähigung zum Richteramt besitzt oder wer die Voraussetzungen für den zertifizierten Mediator erfüllt.

Bislang keine Verordnung zum zertifizierten Mediator

Die Zulassung von zertifizierten Mediatoren als Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle kommt insofern unerwartet, als die dafür erforderliche Anerkennung zum zertifizierten Mediator gegenwärtig noch nicht möglich ist, weil das Bundesjustizministerium die Rechtsverordnung zum zertifizierten Mediator noch nicht erlassen hat. Entsprechend kritisch sind die Stimmen aus Wissenschaft und Praxis: Die Rede ist etwa von einem teilweisen Berufsverbot für Mediatoren, von einem ungerechtfertigten Eingriff in deren Berufsfreiheit nach Art. 12 GG oder von einer Unvereinbarkeit mit Erwägungsgrund 36 der ADR-Richtlinie, der den Verbraucherschlichtern – freilich als bloße Sollvorschrift – keine umfassende juristische Qualifikation abverlangen will. Nicht ausgeschlossen, dass das Bundesjustizministerium auf diese vehemente Kritik zeitnah reagiert, indem es die Rechtsverordnung zum zertifizierten Mediator nun zügig erlässt. Selbst wenn dies geschehen sollte, stellt sich freilich noch die Frage nach dem Sinn einer Vorschrift, die zwei sehr unterschiedliche Qualifikationen alternativ vorsieht.

Juristische oder mediative Kompetenz erforderlich?

Offenbar strebt der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG eine salomonische Lösung an, die juristische und mediative Kompetenzen für die Verbraucherschlichtung miteinander vereint. In ähnlicher Weise sind etwa in Österreich die staatlichen Zuschüsse für Mediatorenhonorare daran geknüpft, dass einer von zwei Co-Mediatoren einen psychosozialen Hintergrund und der/die andere eine juristische Qualifikation mitbringt. Damit setzt die österreichische Regelung einen Anreiz dafür, Kompetenzen beider Art in einem Mediatorenteam miteinander zu verbinden. Anders nun freilich die deutsche Regelung zur Verbraucherschlichtung: Ganz abgesehen davon, dass die in § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG vorgesehene Kompetenzanforderung nur für den Leiter einer Schlichtungsstelle gilt und damit womöglich eine unzureichende Umsetzung von Art. 6 der ADR-Richtlinie darstellt, scheinen dem deutschen Gesetzgeber offenbar die juristische wie auch die mediative Kompetenz verzichtbar. Denn wenn das Gesetz als Leiter einer Verbraucherschlichtungsstelle zulässt, wer entweder Volljurist oder zertifizierter Mediator ist, folgt daraus im Umkehrschluss, dass aus Sicht des Gesetzgebers keine dieser Qualifikationen zwingend erforderlich ist. Wenn allerdings beide Qualifikationen verzichtbar sind, stellt sich die Frage, welchen Zweck die Regelung insgesamt überhaupt hat.

Zielsetzung der Verbraucherschlichtung unklar

Tatsächlich offenbart die Formulierung des § 6 Abs. 2 S. 2 VSBG ein tiefer liegendes Problem: Der Gesetzgeber etabliert ein Verfahren, das einerseits Verbraucherrechte nicht verkürzen soll, das andererseits aber auf einen Kompromiss der Parteien angelegt ist. Dabei scheut er die Entscheidung, ob es sich bei der Verbraucherschlichtung nun um ein rechts- oder um ein interessenorientiertes Verfahren handelt. Betrachtet man die Verbraucherschlichtung als rein interessenorientiertes Verfahren, so dürfte eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator als Berufsqualifikation des Verfahrensleiters genügen. Soll es sich hingegen um ein rechtsorientiertes oder gar rechtstreues Verfahren handeln, ist die juristische Qualifikation des Verfahrensleiters unabdingbar (vgl. die Grafik zu diesem Blogbeitrag). Will man beide Kompetenzen miteinander kombinieren, ist der österreichische Weg eine denkbare Lösung. Das Entweder-oder-Modell des deutschen Gesetzgebers kann allerdings kaum überzeugen.

 

Der 17. Mediationskongress der Kölner Centrale für Mediation findet am 20. und 21. Mai 2016 in Frankfurt am Main statt. Die Konferenz nimmt in diesem Jahr insbesondere die Lösung arbeitsrechtlicher Konflikte in den Blick.

Generalthema: Konfliktlösung in der Arbeitswelt

Der Mediationskongress steht unter dem Generalthema „Konfliktlösung in der Arbeitswelt“. In einer Reihe von Vorträgen und Kleingruppen-Workshops beschäftigen sich die Teilnehmer mit verschiedenen Themen rund um das Konfliktmanagement in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. Unter anderem steht der Umgang mit Arbeitskonflikten vor dem Güterichter, die Konfliktklärung zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung oder auch die Kurzzeit-Mediation in Betrieben auf der Tagesordnung. Der erste Konferenztag mündet in einen Vortrag der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zum Thema „Konfliktlösungen mit Gewerkschaften“.

Mediationspreise 2016 werden beim Mediationskongress verliehen

Bei der Abendveranstaltung am ersten Tag des Mediationskongresses werden traditionell die Mediationspreise der Centrale für Mediation verliehen. Dazu zählt insbesondere der Sokrates-Preis für Mediation, mit dem eine Persönlichkeit ausgezeichnet wird, die sich um die Belange der Mediation besonders verdient gemacht hat. Mit dem ebenfalls ausgelobten Mediations-Wissenschafts-Preis zeichnet die Centrale für Mediation größere wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der alternativen Streitbeilegung aus; kleinere wissenschaftliche Abhandlungen werden mit einem Förderpreis prämiert.

Die Anmeldung zum Mediationskongress 2016 erfolgt online; weiterhin ist auch das vollständige Programm in den Formaten html und pdf abrufbar.

Der Güterichter-Blog von Professor Dr. Reinhard Greger macht auf die aktuellen Fallzahlen des Statistischen Bundesamts aufmerksam, das seit 2014 auch die gerichtsinterne Mediation (sog. Güterichterverfahren) gesondert ausweist.

Jedes zweite Güterichterverfahren führt zur Streiterledigung

Zur Regelung der außergerichtlichen Mediation ist 2012 das deutsche Mediationsgesetz in Kraft getreten. Gleichzeitig hat der Gesetzgeber auch die gerichtsinterne Mediation in § 278 Abs. 5 ZPO verankert. Die amtlichen Zahlen weisen für das Jahr 2014 knapp 25.000 Güterichterverfahren an deutschen Gerichten aus. Während die Erfolgschancen der außergerichtlichen Mediation mit ungefähr 75-80% beziffert werden (siehe etwa Steffek, ZEuP 2013, 528, 531), liegen die Vergleichschancen im Güterichterverfahren deutlich darunter: In etwa der Hälfte dieser Verfahren lässt sich die Streitigkeit durch das Güterichterverfahren erledigen; in knapp 30% der Güterichterverfahren schließen die Parteien einen Vergleich. Diese Zahlen variieren zwischen den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten geringfügig, aber nicht in statistisch signifikantem Ausmaß. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Erledigungschancen beim Landgericht auf 35% zurückfallen, wenn sich die Parteien bereits in der Berufungsinstanz befinden. Ohnehin wird man in der Berufung seltener ins Güterichterverfahren verwiesen. Gewisse Unterschiede lassen sich ferner mit Blick auf die Streitmaterie ausmachen: Tendenziell besser sind die Streiterledigungschancen bei einem Güteverfahren im Bereich der Nachbarschaftssachen (60%) und in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten (69%), tendenziell geringer sind sie in Wohnungseigentumssachen (37%).

Wo spielt das Güterichterverfahren eine Rolle?

Weil die Amtsgerichte mit ihren ca. 1,1 Mio. jährlich erledigten Verfahren den Löwenanteil der Gerichtsverfahren bewältigen, gibt es hier natürlich auch die meisten gerichtsinternen Mediationen. In knapp 1,5% der im Jahr 2014 erledigten Fälle verwies der Streitrichter die Parteien an einen Güterichter. Auch wenn die absoluten Fallzahlen geringer sind, verweist das Landgericht die Beteiligten wesentlich häufiger, nämlich in knapp 2,1% aller Fälle, in das Güterichterverfahren. Noch wesentlich deutlichere Unterschiede ergeben sich, wenn man sich die Statistiken der einzelnen Bundesländer anschaut. Die Gerichte in Bayern und Hessen sind am skeptischsten gegenüber der gerichtsinternen Mediation: Bayerische Amtsgerichte verweisen nur 0,2% und bayerische Landgerichte nur 0,6% ihrer Verfahren vor den Güterichter, in Hessen liegen diese Werte bei 0,4% (Amtsgerichte) und 0,1% (Landgerichte). Extrem mediationsfreudig sind die Gerichte hingegen in Berlin: Hier landen 4,3% aller amtsgerichtlichen und 5,8% aller landgerichtlichen Fälle vor dem Güterichter. Auffällige Unterschiede zwischen Amts- und Landgerichten innerhalb eines Bundeslandes ergeben sich in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen: Die Amtsgerichte beider Länder befinden sich mit ihren Verweisen ungefähr im Bundesdurchschnitt (MV: 1,0%, Nds.: 1,7%), die Landgerichte beider Länder verweisen allerdings außerordentlich häufig in das Güterichterverfahren (MV: 8,6%, Nds.: 5,0%). Namentlich im Falle Niedersachsens kommt dies vermutlich nicht von ungefähr: Der Präsident des OLG Braunschweig rief dort unlängst einen Wettbewerb unter den drei niedersächsischen OLG-Bezirken um die meisten Güterichterverfahren im Jahr 2016 aus.

Die Statistik für die zivilgerichtliche Rechtspflege 2014 ist auf der Webseite des Statistischen Bundesamtes in den Formaten pdf und xlsx abrufbar.

Update: Eine spezielle Güterichterstatistik im Format xlsx steht nun auch auf dieser Seite zum kostenfreien Download zur Verfügung.

In jeder Verhandlungs- und Mediationsausbildung kommt sie vor, aber darüber, woher sie kommt, gehen die Meinungen auseinander. Die Geschichte vom Streit um die Orange – manche sprechen auch von der Harvard-Orange oder dem Orangenbeispiel – verdeutlicht eindrücklich den Unterschied zwischen Positionen und Interessen. Indes: Vermutlich kommt die berühmte Frucht weder aus Harvard noch ist sicher, dass es ursprünglich überhaupt um eine Orange ging.

Streit um die Orange: Der Unterschied zwischen Positionen und Interessen

Der Streit um die Orange ist schnell erzählt: Zwei Schwestern zanken sich um eine Orange. Die Mutter schneidet sie und gibt jeder Tochter eine Hälfte. Eine der Schwestern hat es auf den Saft abgesehen und entsorgt die Schale, die andere bäckt mit der Schale einen Kuchen und wirft das Fruchtfleisch weg. Die Mär von der Geschicht: Die Schwestern haben Positionen bzw. Ansprüche („Ich will die Orange haben“) formuliert, die nicht miteinander vereinbar waren. Hätten sie ihre Interessen ergründet („Ich möchte Orangensaft trinken“ und „Ich würde gerne einen Kuchen backen“), hätte eine win-win-Lösung auf der Hand gelegen. In der Praxis ist Wertschöpfung zuweilen komplizierter und nur eingeschränkt möglich. Dennoch zeigt das Orangenbeispiel sehr anschaulich, wie interessenorientiertes Verhandeln beiden Verhandlungspartnern nützen kann.

Uglis statt Orangen?

Häufig wird der Streit um die Orange mit dem Verhandlungsklassiker Getting to Yes (deutsch: Das Harvard-Konzept) in Verbindung gebracht. Tatsächlich waren es aber nicht dessen Autoren Fisher, Ury und Patton, die das Orangenbeispiel konzipierten. Vielmehr war der Streit um die Orange schon damals sprichwörtlich – auch wenn niemand so recht wusste, wer die Geschichte ursprünglich erfunden hat. Ein Beitrag von Deborah M. Kolb im Negotiation Journal (Vol. 11/4, Oktober 1995, S. 339 ff.) ging der Sache vor 20 Jahren einmal auf den Grund und identifizierte einen gewissen Robert J. House als Erfinder des Beispiels. In einem 1975 erschienenen US-amerikanischen Managementratgeber (Hall et al., Experiences in Management and Organizational Behavior, St. Clair Press, Chicago 1975) wird dessen sog. Ugli Orange Exercise beschrieben. Eine Übung mit einer hässlichen Orange? Nicht ganz. Eine Ugli orange – bzw. zu deutsch einfach Ugli – ist eine jamaikanische Kreuzung aus Orange, Tangerine und Grapefruit bzw. Pampelmuse. Die Bezeichnung Ugli ist inzwischen ein verselbständigter Markenname (Deonym), der sich vermutlich tatsächlich vom englischen ugly ableitet, denn die Farbe einer Ugli ist nicht orange, sondern grünlich-gelb.

Die Ugli orange exercise

Die von House entworfene Ugli-Übung zielt im Kern auf eine ähnliche Erkenntnis wie das klassische Orangenbeispiel. Der Spielleiter kündigt die Versteigerung von 3.000 Uglis an den Meistbietenden von zwei Interessenten an. Was die beiden aber nicht voneinander wissen: Einer von ihnen braucht die Rinde der Uglis, um damit ein Bindemittel für Nervengas herzustellen, das ansonsten in Kürze aus einem maroden Militärlager austreten und bei der Bevölkerung erhebliche gesundheitliche Schäden hervorrufen wird. Der andere Interessent braucht den Uglisaft für die Herstellung einer Arznei gegen eine neu ausgebrochene Schwangerschaftskrankheit, die ansonsten in absehbarer Zeit tausende Embryos schädigen wird. Wie beim Streit um die Orange gilt auch bei der Ugli-Übung: Die intuitiv naheliegende Formulierung von Positionen verstellt den Blick auf die Interessen. Viele Spieler erreichen trotz langwieriger und engagiert geführter Verhandlungen nicht die scheinbar selbstverständliche win-win-Lösung. Umso größer ist der Aha-Effekt bei der Auflösung des Spiels.

Ursprung des Orangenbeispiels: Nach wie vor ungeklärt!

So plausibel die Geschichte von der Ugli-Übung als Vorläuferin des Orangenbeispiels klingt, so bleibt doch Skepsis, dass das laut Getting to Yes bereits 1981 „sprichwörtliche“ Orangenbeispiel erst sechs Jahre zuvor erfunden worden sein soll. Eine Anfrage bei William Ury und Bruce Patton, den Autoren von Getting to Yes, klärt auf: Das Orangenbeispiel muss tatsächlich älter sein. Wie viele andere Verhandlungsforscher vermuten auch Ury und Patton den Ursprung der Geschichte bereits im frühen 20. Jahrhundert bei der bekannten US-amerikanischen Managementtrainerin Mary Parker Follett. Bisweilen werden sogar konkret ihre Werke „Constructive Conflict“ und „Creative Experience“ genannt. Ein Blick in beide Büchern zeigt allerdings: Hier ist von einer Orange keine Rede. Die Herkunft des Orangenbeispiels bleibt also weiter unklar. Wer kann Licht ins Dunkel bringen? Wer das Rätsel als erster durch einen konkreten Literaturnachweis auflösen kann, erhält von der Münchener Ausbildung zum Wirtschaftsmediator ein Jahresabonnement der Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM).