Ab Anfang August 2022 dürfen Mediatoren enger mit Anwälten zusammenarbeiten, als das bisher der Fall war. Der Gesetzgeber rückt verschiedene Dienstleistungsberufe näher zusammen und erleichtert damit die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Rechtsstreitigkeiten. Worum geht es und was ist zukünftig erlaubt?

Bisher nur lose Kooperationen erlaubt

Das bis Ende Juli 2022 geltende anwaltliche Berufsrecht zieht eine scharfe Linie zwischen Anwälten einerseits und Mediatoren andererseits. Die berufliche Zusammenarbeit einer Anwältin und einer Mediatorin in einem gemeinsam geführten Beratungsunternehmen ist nach § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO nicht möglich, sofern die Mediatorin nicht aus dem engen Kreis der sog. sozietätsfähigen Berufe (insb. Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer) stammt. Und selbst die interprofessionelle Zusammenarbeit ohne wirtschaftliche Verbindung in Form einer sog. bloßen Bürogemeinschaft ist Anwälten und Mediatoren bisher verwehrt.

Bald möglich: Bürogemeinschaften zwischen Anwälten und Mediatoren

Das ändert sich allerdings mit dem 1. August 2022 mit dem Inkrafttreten des neuen § 59q Abs. 2 S. 1 BGB:

„Eine Bürogemeinschaft können Rechtsanwälte auch mit Personen eingehen, die nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind, es sei denn, die Verbindung ist mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängigem Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar und kann das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden.“

Der Gesetzgeber sieht die anwaltliche Verschwiegenheit nunmehr durch eine Bürogemeinschaft mit einer Mediatorin nicht mehr als gefährdet an. Nur bei Interessenkonflikten, die die Unabhängigkeit der Anwältin gefährden, soll diese Form der Zusammenarbeit im Einzelfall noch unzulässig sein.

Aber: Partnerschaft nur mit freiberuflichen Mediatoren

Damit ist freilich nicht gesagt, dass Mediatoren und Rechtsanwälte auch eine interprofessionelle Kanzlei eröffnen können. Eine solche unternehmerische Verbindung ist zwar nicht mehr per se ausgeschlossen, steht aber nach dem neugefassten § 59c Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BRAO unter dem Vorbehalt, dass der Mediator einen freien Beruf im Sinne von § 1 Abs. 1 PartGG ausübt. Dort heißt es:

Die Freien Berufe haben im allgemeinen auf der Grundlage besonderer beruflicher Qualifikation oder schöpferischer Begabung die persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Auftraggeber und der Allgemeinheit zum Inhalt. Ausübung eines Freien Berufs im Sinne dieses Gesetzes ist die selbständige Berufstätigkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Heilpraktiker, Krankengymnasten, Hebammen, Heilmasseure, Diplom-Psychologen, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratenden Volks- und Betriebswirte, vereidigten Buchprüfer (vereidigte Buchrevisoren), Steuerbevollmächtigten, Ingenieure, Architekten, Handelschemiker, Lotsen, hauptberuflichen Sachverständigen, Journalisten, Bildberichterstatter, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlicher Berufe sowie der Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller, Lehrer und Erzieher.“

Ob die hier vom Gesetz vorgenommene Einteilung in Dienstleistungen niederer und höherer Art heute noch zeitgemäß ist, kann man mit Fug und Recht bezweifeln. Für Mediatorinnen, die einen Hauptberuf ausüben, der in der Aufzählung von § 1 Abs. 2 PartGG nicht enthalten ist, bleibt allerdings einige Rechtsunsicherheit. Sie müssen sich im Zweifel darauf berufen, dass die Mediatorentätigkeit selbst einen freien Beruf darstellt. Das ist zwar der Sache nach gut begründbar, der Gesetzgeber hätte es den Mediatoren freilich auch einfacher machen können, wenn er sie einfach in die beispielhafte Aufzählung freier Berufe übernommen hätte.

Weiterführender Literaturhinweis: Marcus Bauckmann, AnwBl Online 2021, 292-296, frei verfügbar im Open Access

Welchen Einfluss haben Digitalisierung, Blockchain-Technologie und Künstliche Intelligenz (KI) auf Rechtssetzung, Rechtswissenschaft und Rechtspraxis? Horst Eidenmüller und Gerhard Wagner untersuchen die rechtlich relevanten Entwicklungen, die dadurch geschaffenen Herausforderungen für Rechtspolitik, Rechtsprechung und Rechtsdogmatik, neue regulatorische Aufgaben sowie den Nutzen von KI-Anwendungen für Gesetzgebung und Justiz. Wie kann »Algorithmisches Recht« zum Nutzen aller Menschen eingesetzt werden?

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Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat im November 2021 ein Diskussionspapier zur Überarbeitung der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) veröffentlicht. Geplant ist, die Verordnung im Laufe des Jahres 2022 im Hinblick auf einige häufig geäußerte Kritikpunkte zu verbessern. Drei der anstehenden Änderungen erscheinen besonders bemerkenswert.

Präsenz heißt physische Präsenz

Eine Ausbildung zum zertifizierten Mediator muss nach § 2 Abs. 4 S. 1 ZMediatAusbV mindestens 120 Zeitstunden Präsenzunterricht enthalten. In Corona-Zeiten war vereinzelt der Ruf laut geworden, auch Online-Lehrformate unter den Präsenzbegriff zu fassen. Dem erteilt das Justizministerium nun eine Absage und stellt klar, dass unter Präsenz physische Präsenz zu verstehen ist. Eine reine Online-Ausbildung zum zertifizierten Mediator kann es insofern heute wie auch in Zukunft nicht geben. Allerdings greift das BMJV den Wunsch auf, zumindest einen Teil der Ausbildungsstunden digital erbringen zu können und dort insbesondere die Vermittlung in Online-Verhandlungen abzubilden. Deswegen soll die notwendige Mindeststundenzahl künftig auf 130 Präsenzzeitstunden moderat erhöht werden. 20% dieser Stunden – das entspricht 26 Zeitstunden – können dabei in einem interaktiven Onlineformat stattfinden.

Institutszertifizierung statt Selbstzertifizierung

Ein zweiter wichtiger Punkt im Diskussionspapier des BMJV: Bereits unmittelbar nach Inkrafttreten der ZMediatAusbV gab es verschiedentlich Kritik daran, dass die Zertifizierung entgegen der Wortbedeutung keine Überprüfung oder Kontrolle durch eine Institution oder Behörde voraussetzt. Der bisherige zertifizierte Mediator ist ein selbstzertifizierter Mediator. Das soll sich demnächst ändern. Künftig sollen nach den Vorstellungen des BMJV die Ausbildungsinstitute prüfen, ob ihre Ausbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer die Voraussetzungen der ZMediatAusbV erfüllen.

Neue Zertifizierung ist späte Zertifizierung

Bemerkenswert ist schließlich auch eine dritte Neuerung, die sich im BMJV-Diskussionspapier ankündigt: Während man heute nach dem Besuch des Ausbildungslehrgangs nur einen Praxisfall supervidieren lassen muss, um sich als zertifizierte Mediatorin bezeichnen zu können, sollen künftig fünf supervidierte Fälle erforderlich sein. Die darin enthaltenen vier weiteren Fälle müssen zertifizierte Mediatoren zwar nach § 4 Abs. 1 ZMediatAusbV auch heute schon akquirieren und supervidieren lassen, allerdings dürfen sie sich schon zuvor als zertifizierte Mediatoren bezeichnen. Mit anderen Worten: Wenn es bei den aktuellen Plänen bleibt, wird man künftig erst später und unter höheren Praxisvoraussetzungen zertifizierter Mediator. Wer sich die Vorteile der alten Regeln sichern möchte, muss nach den Planungen des Ministeriums seine Ausbildung bis Ende 2022 begonnen haben…

Am Donnerstag, 11. November 2021, bietet die Münchener Ausbildung zum Wirtschaftsmediator eine Online-Fortbildung Falltraining Wirtschaftsmediation über Zoom an.

Falltraining im Online-Setting

Welches Ziel verfolgt die Fortbildung? Mediation ist (auch) ein Handwerk. Das ständige Üben an Fallbeispielen und das Auffrischen erlernter Fertigkeiten sind daher für die eigene Mediationspraxis besonders bedeutsam. Das gilt auch für die Leitung von Vermittlungsgesprächen per Videokonferenz. Zwar finden die meisten Mediationsverhandlungen nach wie vor in Präsenz statt, sie werden aber inzwischen häufig ergänzt durch vorbereitende oder begleitende Online-Gespräche. In Ergänzung zu unserer Präsenzausbildung zum Wirtschaftsmediator bietet unser Online-Falltraining die Gelegenheit, die eigenen Verhandlungs- und Mediationsfähigkeiten im Rahmen einer interaktiven Online-Simulation eines Wirtschaftskonflikts zu trainieren. Kurze Impulse zu aktuellen Entwicklungen der außergerichtlichen Streitbeilegung runden das Training ab. Zertifizierte Mediatorinnen und Mediatoren können sich die Teilnahme an der Veranstaltung als Fortbildung im Sinne von § 3 Abs. 1 ZMediatAusbV anrechnen lassen.

Ablauf und Anmeldung zur Fortbildung

Der Rahmen der Veranstaltung auf einen Blick:

Termin: Donnerstag, 11. November 2021, 10 bis 16 Uhr

Trainer: Rechtsanwalt Dr. Andreas Hacke, Privatdozent Dr. Martin Fries

Teilnahmegebühr: 450 € (USt-frei nach § 4 Nr. 21 a) bb) UStG)

Anmeldung: Online über unser Online-Anmeldeformular

Am Freitag, 21. Mai 2021, findet von 16 bis 18 Uhr ein Online Round Table der University of Oxford, des International Centre for Settlement of Investment Disputes (ICSID) und der Singapore International Dispute Resolution Academy zur Mediation in Streitigkeiten aus Investitionsschutzabkommen statt. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie Mediationsverfahren zur Beilegung solcher Konflikte beitragen können und welche aktuellen Trends in diesem Bereich zu beobachten sind. Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt. Die Teilnahme ist kostenfrei. Weitere Informationen finden sich auf der Webseite der Veranstaltung; die Anmeldung erfolgt über eine separate Seite.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) führt am 28. Mai 2021 eine Online-Mediationskonferenz durch. Das Thema lautet „Stärkung der Mediation: Qualitäts- und Reputationssteigerung durch mehr staatliche Regulierung?“. Welche Themen werden diskutiert und wer kann an der Konferenz teilnehmen?

Themen: Mediationsförderung und Qualitätssicherung

Die Konferenz erörtert in drei Themenblöcken, was das Mediationsgesetz und die Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung bewirkt haben und welche neuen gesetzgeberischen Maßnahmen sich empfehlen. Im Einzelnen:

  1. Der erste Themenblock widmet sich einer Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Bedeutung der Mediation.
  2. Im zweiten Themenblock geht es um die Frage, inwieweit sich die Qualität des Mediationsverfahrens womöglich durch eine Fortentwicklung des zertifizierten Mediators steigern lässt.
  3. Der abschließende dritte Themenblock behandelt die Frage, wie sich die Mediation kohärent in das Gesamtsystem der Rechtspflege integrieren lässt.

Die Themenblöcke werden jeweils durch Fachvorträge eröffnet und anschließend in einer Podiumsdiskussion vertieft. Die Moderation liegt in den Händen des Berliner Autors Hendrik Wieduwilt.

Die Teilnahme an der Mediationskonferenz ist kostenfrei möglich. Die Anmeldung erfolgt über die Webseite der Veranstaltung.

Die jüngste Rechtspflege-Statistik des Statistischen Bundesamts zeigt: Die gerichtsinterne Mediation, das sog. Güterichterverfahren, verharrt auf niedrigem Niveau, auch wenn die Gesamtzahl der erledigten zivilrechtlichen Fälle – augenscheinlich bedingt durch den VW-Abgasskandal – zum ersten Mal im 21. Jahrhundert wieder zugenommen hat.

Gerichtstinterne Mediation: Stabile Zahlen auf niedrigem Niveau

Die Justizstatistik weist für das Jahr 2019 13.588 erledigte Streitigkeiten aus, die einen Verweis ins Güterichterverfahren erlebt haben. Nach mehreren Jahren eines deutlichen Rückgangs ist diese Zahl nun kaum geringer als im Vorjahr, eine Trendumkehr ist allerdings bislang nicht zu erkennen. Wie in den Vorjahren verweisen Landgerichte in der Erstinstanz ungefähr dreimal so häufig in die gerichtsinterne Mediation wie die Amtsgerichte. Insgesamt ist die Verweisquote (Anteil der Streitigkeiten mit Verweis zur Güterichterin) aber gegenüber dem Vorjahr um nochmals 5% gesunken; sie liegt jetzt erstmals unter 1%. Noch nicht einmal jeder hundertste Fall schafft es also in die richterliche Mediation.

Overperformer und Underperformer

An der Spitze der mediationsverweisfreudigen Länderjustizen zieht Mecklenburg-Vorpommern weiter einsame Kreise. Dort haben die Gerichte ihre Verweisquote in 2019 noch einmal deutlich von 5,2% auf 5,8% gesteigert. Mit einigem Abstand folgt die Ziviljustiz in Schleswig-Holstein, die ihre Verweisquote immerhin von 3,4% auf 3,5% steigerte. Auch die Berliner Justiz erhöhte ihre Verweisquote deutlich von 0,9% in 2018 auf 1,1% in 2019. Im Vorjahresvergleich deutlich weniger verweisfreudig zeigten sich demgegenüber das Saarland (von 1,6% in 2018 auf 1,3% in 2019) und das eigentlich so mediationsaffine Niedersachsen. In Niedersachsen ging die Verweisquote in allen OLG-Bezirken zurück, besonders aber beim Spitzenreiter in Braunschweig (von 3,7% in 2018 auf 2,3% in 2019). Die Erledigungs- und Vergleichsquote hielten sich 2019 ziemlich stabil und liegen deutschlandweit 2019 bei 47% (2018: 46%) bzw. 36% (2018: 36%). Besonders erledigungsfreundlich waren die Gerichte in den OLG-Bezirken Karlsruhe (76%) und München (71%) sowie im Stadtstaat Bremen (75%). Demgegenüber wirkte das Güterichterverfahren andernorts kaum befriedend: Insbesondere in den OLG-Bezirken Stuttgart (18%) und Zweibrücken (5%) ließen sich durch die gerichtsinterne Mediation kaum Fälle erledigen.

Download der Güterichterstatistik 2014-2019

Die komplette Güterichterstatistik der Jahre 2014 bis 2019 steht hier zum freien Download zur Verfügung. Grundlage für die Statistik ist die Zahl aller im jeweiligen Jahr vor den Amtsgerichten, Landgerichten und Oberlandesgerichten erledigten Zivilverfahren.

 

Ende 2020 ist ein kleines Handbuch zur Supervision für Mediatorinnen und Mediatoren aus der Feder von Oliver Sporré erschienen. Was gibt es darin zu lesen?

Grundlagen der Supervision für Mediatorinnen und Mediatoren

Der Begriff der Supervision bezeichnet die Reflektion eines Praxisfalls gemeinsam mit einer externen Person. Mediatoren ist der Begriff spätestens geläufig, seit die Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung (ZMediatAusbV) in ihren § 2 Abs. 2 und 5 und § 4 Einzelsupervisionen als Voraussetzung für die Bezeichnung als zertifizierte Mediatorin vorsieht. Während der Supervisionsbegriff der ZMediatAusbV sehr offen ist, so dass man dafür auch ein 10-minütiges Telefongespräch genügen lassen muss, versucht nun Oliver Sporré die Möglichkeiten und den Nutzen einer Supervision für Mediatorinnen und Mediatoren besser auszuleuchten. Die sieben Kapitel des 55-seitigen Buches erläutern die Grundlagen der Supervision, gesetzliche Regelungen der Supervision für Mediatoren, den Nutzen der Supervision für Mediatoren, mögliche Themen für eine Supervision, Haltungen der Supervisorin und der Mediatoren in der Supervision, den Ablauf einer mediationsanalogen Supervision sowie die Methodenvielfalt in der Supervision. Dabei behandelt Sporré nicht nur die Einzelsupervision, sondern gibt auch Anleitungen zur Gestaltung von Gruppensupervisionen. Nach der Lektüre dieser umfassenden Inhalte bleiben kaum noch Fragen offen.

Was bringt die Supervision?

Das Buch zur Supervision für Mediatorinnen und Mediatoren ist als eBook zum Preis von € 4,48 sowie in der Papierversion zum Preis von € 14,99 erhältlich. Für wen ist diese Investition sinnvoll? Auch gut drei Jahre nach der Einführung des zertifizierten Mediators ist die Zahl der praktisch tätigen Mediatorinnen, die diese Bezeichnung tatsächlich nutzen, durchaus überschaubar. Die klare Botschaft von Oliver Sporré lautet freilich: Supervision ist kein Selbstzweck und keine bloße Formalie auf dem Weg zur Zertifizierung. Vielmehr ist es ganz grundsätzlich sinnvoll für eine Verbesserung der eigenen Konfliktmanagementfähigkeiten, wenn man Praxiserfahrungen systematisch reflektiert. Damit reicht der Nutzen des Buches weit über die Mediation hinaus. Das entspricht auch dem Hintergrund des Autors: Oliver Sporré ist nämlich hauptberuflich nicht Mediator, sondern Richter.

Oliver Sporré ist  Direktor des Amtsgerichts im niedersächsischen Bersenbrück. Bereits 2009 hat er dort die gerichtsinterne Mediation eingeführt. Das ist keine Mediation in Reinkultur, sondern es handelt sich – wie Sporré selbst sagt – um Einigungsgespräche im Umfang von 2-3 Stunden. Seine Rolle als Mediator in diesen Verhandlungen hat er einmal sprechend als „Hebamme für den Vergleich“ bezeichnet.

Mitte Oktober 2020 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (pdf) vorgelegt. Zentraler Bestandteil der ab 2021 vorgesehenen neuen Regeln ist ein früh ansetzendes Sanierungsverfahren. Schon bevor ein Unternehmen insolvenzreif wird, soll den Geschäftsführern ein niedrigschwelliger Weg offen stehen, um die Krise abzuwenden. Dabei können professionelle Dritte helfen, und hier steht neben der Restrukturierungsbeauftragten vor allem der sog. Sanierungsmoderator im Rampenlicht. Eine perfekte Rolle für Mediatoren?

Sanierungsmoderator als Zentralfigur der Krisenbewältigung

Was ist ein Sanierungsmoderator? Die Antwort dazu soll sich künftig in den §§ 100 bis 106 des neuen Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRuG) finden. § 100 StaRUG lautet:

Auf Antrag eines restrukturierungsfähigen Schuldners bestellt das Gericht eine geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zum Sanierungsmoderator.

Über die Aufgaben einer Sanierungsmoderatorin sagt § 102 StaRUG-E:

Der Sanierungsmoderator vermittelt zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finan- ziellen Schwierigkeiten. Der Schuldner gewährt dem Moderator Einblick in seine Bücher und Geschäftsunterlagen und erteilt ihm die angeforderten zweckmäßigen Auskünfte. Der Sanierungsmoderator erstattet dem Gericht über den Fortgang der Sanierungsmoderation monatlich schriftlich Bericht.

Ziel der Tätigkeit eines Sanierungsmoderators ist die Vermittlung eines Sanierungsvergleichs nach § 103 StaRUG-E. Das Sanierungsgericht überwacht den Sanierungsmoderator und prüft und bestätigt den Sanierungsvergleich. Ein Sanierungsmoderator handelt also nicht im kontrollfreien Raum und genießt doch auch einen gewissen Gestaltungsspielraum, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Gläubiger ihre Interessen auch selbst im Blick haben.

Mediatoren als Sanierungsmoderatoren?

Wer eignet sich mit Blick auf seine Fachkenntnisse und Fähigkeiten in besonderer Weise für das Amt eines Sanierungsmoderators? Die Rolle verlangt im Grunde zweierlei: Zum einen muss ein Sanierungsmoderator über profunde Kenntnisse des Insolvenzrechts und der Insolvenzpraxis verfügen. Zum anderen muss er das Handwerkszeug einer Mediatorin bzw. eines Mediators mitbringen. Diese spezifischen Anforderungen lassen erwarten, dass Insolvenzverwalter künftig noch mehr Wert auf das praxisorientierte Training ihrer Vermittlungsfähigkeiten legen werden. Bereits heute sind Insolvenzrechtspraktiker regelmäßig als Mediatoren tätig; dieser Trend dürfte sich mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts noch einmal deutlich verstärken.

Seit dem 12. Juni 2020 gilt die neue Verordnung (EU) Nr. 2019/1150 über Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten, die sog. Platform-to-Business- bzw. P2B-Verordnung. Die Verordnung soll Online-Händler vor einer Benachteiligung durch E-Commerce-Plattformen schützen. Das darin niedergelegte Schutzkonzept der Europäischen Union setzt in materiell-rechtlicher Hinsicht auf Transparenz und in verfahrensrechtlicher Hinsicht auf die Mediation. Worum geht es und was bedeutet das für Wirtschaftsmediatoren?

P2B-Verordnung soll Händler vor Abhängigkeit von Plattformen schützen

Wenn Menschen miteinander ins Geschäft kommen, ist regelmäßig eine Vertragspartei stärker als die andere. Wo dies regelmäßig vorkommt, greift manchmal der Gesetzgeber ein. David bekommt gewissermaßen eine gesetzliche Steinschleuder in die Hand, um mit Goliath auf Augenhöhe zu kommen. Ein typisches Beispiel für eine solche Situation sind Machtungleichgewichte zwischen Verbrauchern und Unternehmern. Das inzwischen weit ausdifferenzierte Verbraucherschutzrecht hilft Verbrauchern, z.B. indem es durch gesetzliche Widerrufsrechte dafür sorgt, dass sie seltener in für sie uninteressante Verträge hineingelockt werden. Die neue P2B-Verordnung schafft nun ein ähnliches Schutzrecht für gewerbliche Händler. Diese gelten zwar – gerade im Vergleich zu Verbrauchern – traditionell als geschäftserfahren und wenig schutzbedürftig. Im Zeitalter einer immer mächtigeren Plattformindustrie haben sich die Gewichte allerdings verschoben. Viele Händler sind heute mit ihren Vertriebsstrukturen weitgehend von E-Commerce-Plattformen wie Amazon, eBay, oder Booking abhängig. Sie sind insofern gezwungen, für sie ungünstige Handelsbedingungen im Zweifel zu schlucken, weil sie keine Alternativen sehen. Dieses Machtungleichgewicht soll die P2B-Verordnung aufbrechen.

P2B-Verordnung mit sanftem Druck

Welche Instrumente wählt die P2B-Verordnung, um diese Herausforderungen zu bewältigen? Es fällt auf, dass die EU sowohl in materiell-rechtlicher als auch in prozeduraler Hinsicht einen sehr vorsichtigen Ansatz fährt. Einseitig nachteilhafte und die Händler knebelnde Bedingungen von Plattformen werden nicht untersagt oder einer ausdifferenzierten AGB-Kontrolle unterworfen (die europäische Klauselrichtlinie 93/13/EWG gilt nur für Verträge mit Verbrauchern!). Stattdessen versucht es die EU mit Transparenzpflichten: Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattform sollen transparent sein (Art. 3), der Ausschluss einer Händlerin soll begründet werden (Art. 4) und die für Suchfunktionen außerordentlich bedeutsamen Ranking-Kriterien sollen transparent sein (Art. 5). Dieser weiche Regulierungsansatz setzt sich auch mit Blick auf das Konfliktmanagement fort: Händler sollen etwaige Unzufriedenheiten in einem internen Beschwerdemanagementsystem artikulieren können (Art. 11) und in Streitigkeiten, die sich auf diesem Wege nicht bewältigen lassen, sollen spezialisierte Mediatoren vermitteln (Art. 12 und 13).

Ein neuer Tätigkeitsbereich für Wirtschaftsmediatoren?

Eröffnet die P2B-Verordnung ein neues Tätigkeitsfeld für Wirtschaftsmediatoren? Immerhin müssen die Plattformen nach Art. 12 Abs. 1 S. 1 der P2B-Verordnung in ihren AGB mindestens zwei Mediatoren benennen, mit denen sie bereit sind zusammenzuarbeiten. Diese Mediatoren müssen über ein gewisses Grundverständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge verfügen, denn Art. 12 Abs. 2 lit. f) sieht vor:

„Sie [die Mediatoren] verfügen über ein ausreichendes Verständnis der allgemeinen Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen, sodass sie wirksam zum Versuch der Streitbeilegung beitragen können.“

Eine erste Bestandsaufnahme drei Monate nach Beginn der Geltung der Verordnung lässt erahnen, dass Mediationen zwischen Plattformen und Händlern überwiegend über Verbände abgewickelt werden dürften. So verweist etwa § 11 Nr. 7 der eBay-AGB auf zwei E-Commerce-Bundesverbände als Mediationsdienstleister. Check24 begnügt sich mit einem Hinweis auf das interne Beschwerdemanagementsystem. Einige andere große Plattformen haben ihre AGB demgegenüber noch gar nicht an die Vorgaben der P2B-Verordnung angepasst und könnten insofern noch offen für neue Kooperationen mit Wirtschaftsmediatoren sein. Unklar ist freilich, ob sich die Plattformen im Ernstfall tatsächlich auch auf ein Mediationsverfahren einlassen werden. Dazu verpflichtet sie die P2B-Verordnung nämlich nicht.